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Alt 01.03.2005, 20:40
Gast
 
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Standard Russisch Roulette.......

Liebe Kerstin,

Danke für Deine Zeilen aus denen viel Schmerz und leider auch viel an Selbstvorwurf zu lesen ist.

Vielleicht beginne ich mit Deinem letzten Satz ".... und jetzt vermisse ich ihn so sehr!... Das impliziert, der Verlust wäre erträglicher, der Schmerz linder, hättest Du seinen Tod mit erleben können. Liebe Kerstin, ich glaube, was das Vermissen, die Sehnsucht betrifft, hätte das nichts geändert. Der Mensch ist nicht mehr da, man will ihn zurück haben, es fällt so ungeheuer schwer die Beziehung zu diesem Menschen auf eine andere Ebene zu heben.Im Kopf weiß man das, aber man will den Körper, man will den Menschen spüren, hören, riechen, diese Sehnsucht ist oft kaum auszuhalten. Es gibt, meiner Meinung nach, nur einen Verbündeten und das ist der Faktor Zeit.

Es ist ja nicht so, daß man den Umweinten dann vergißt, die Beziehung erhält nur langsam, langsam, eine neue, andere Qualität. Ich nehme an, wenn etwas unsere Verstorbenen mit tiefem Kummer erfüllt, dann die Tatsache, daß uns ihr Tod vernichtet zurückläßt.

Ich kann sehr gut verstehen, daß die Entscheidung nun Maßnahmen zu beenden eine ganz schwere ist, das ist wahrscheinlich die schwerste Entscheidung vor die man gestellt ist. Aber Du hast es richtig gemacht, Kerstin und man kann sich vor Dir, vor jedem Menschen, Stina, ich darf Dich da mit hineinnehmen, weil Du das sicher liest, man kann sich da nur vor Euch verneigen. Diese Entscheidung ist und war der größte Liebesbeweis den Ihr geleistet habt. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß an meiner Seite auch einmal ein Mensch sein wird, der die Entscheidung für mich trifft, wenn ich es selbst nicht mehr kann.

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, wenn er schlimm krank war, alles aussichtslos wurde, dann kann man für diesen Menschen fast froh sein, daß es zu Ende ging, so makaber das klingt.Die bitteren Tränen weint man um sich selbst. Wenn ich mir meine Mama und meinen Papa so zurückwünsche, dann denke ich auch, meine Güte, um welchen Preis wäre das, was würde das für sie bedeuten? Manchmal, wenn ich das Gefühl hatte diese Sehnsucht nicht mehr auszuhalten, wenn die Trauer und der Verlust richtig weh taten, dann dachte ich, das ist jetzt wirklich schlimm, aber es ist jetzt nur mehr MEIN Schmerz, es waren auch die Zeiten der Krankheit, der Ängste, der Sorgen, des Mitleidens, der Ohnmacht schlimm und schwer.

Kerstin, Stina, Ihr habt aus Liebe und Barmherzigkeit das einzig Richtige getan. Eure Väter sind stolz auf ihre tapferen Töchter. Keiner weiß, wie und was nach dem Tod ist. Weil es mir Trost und Hoffnung ist habe ich für mich entschieden, daß es eine Verbindung gibt, zwischen meinen Toten und mir.
Ich weiß es nicht, aber ich denke mir, wenn Ihr Euch mit Vorwürfen quält, dann quälen sich vielleicht auch Eure Väter mit Vorwürfen, daß sie Euch in so einen Gewissenskonflikt gebracht haben. Keiner, weder Eure Väter noch Ihr, haben sich dieses Schicksal ausgesucht.

Was die Trauer, den Verlust, die Bewältigung betrifft, da gibt es sicher keine Rezepte. Im ersten Jahr hatte ich das Gefühl einfach Stunde um Stunde, Tag um Tag irgendwie hinter mich zu bringen, das alles einfach auszuhalten. Dann habe ich fest gestellt, daß es Zeiten gab, in denen es mir richtig gut ging, daß das aber nichts bedeutet, denn die Trauer springt einen wie ein wildes Tier an dann hab ich den Wechsel akzeptiert. Wenn es mir richtig schlecht ging, dann hatte ich eben schon x-fach die Erfahrung gemacht, daß das jetzt nicht für immer so bleibt,es wird wieder leichter und umgekehrt genauso.

Was mir wirklich gut tut? Meine kleinen Neffen im Arm zu halten, da halt ich auch ein wenig meine Eltern im Arm.Den guten Eigenschaften meiner Eltern Leben zu verleihen, mit Interesse sehe ich, daß mir das gar nicht schwer fällt, zunehmend Freude bereitet.

Für heute schicke ich Dir liebe Kerstin, und Dir liebe Stina liebe Grüße und gute Wünsche.
Briele
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