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Alt 17.10.2004, 21:16
Gast
 
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Standard Nun bin ich Witwe

bei mir wechseln die Gefühle. Die letzten beiden Tage war ich wie neben mir, kann seine Bilder betrachten und muss nicht weinen. Es erschreckt mich, denn ich will nicht, dass es sich schon so "normal" anfühlt. Aber ich denke, dass es eher so eine Art Schutz ist, weil man es sonst nicht ertragen kann.

Was die Freunde betrifft, kann ich es nicht verstehen. Wir haben keinen großen Freundeskreis - ich kann auch im Augenblick nicht viele Menschen ertragen - aber die beiden Paare, die wir zu unseren Freunden gezählt haben, waren augenblicklich da und sind es und werden es bleiben. Vielleicht ist es auch die Unsicherheit, die jeden in so einer schrecklichen Situation einholt, nicht zu wissen, was richtig und was falsch ist. Aber ich denke, es gibt nichts falsches, was man als Freund tut. Und Freundschaft erträgt auch, wenn einem im Augenblick nicht nach Besuch oder Telefon zumute ist.

Wir haben diesen schweren Gang der Beerdigung am Dienstag vor uns. Morgen wäre mein Mann 50 geworden. Wir hatten noch so viele Pläne und am Dienstag begleiten wir ihn zu seinem Grab. Es ist wirklich alles so falsch. Wieviele Paare wollen nochmal "leben" , verlassen einander und wollen nochmal von vorne anfangen und haben nie begriffen, was leben eigentlich heißt. Wir wollten uns nicht trennen, aber wir wurden nicht gefragt. Und jetzt muss ich mir anhören: das Leben geht weiter. So ein Müll! Was für ein Leben geht weiter? Das Leben, das wir geliebt haben, das wir leben wollten, ist seit Februar vorbei, seit dieser Dreckstumor in unser Leben getreten ist. Alles vorbei. Und es wäre auch vorbei, würde Claus noch leben, denn die Krankheit hätte unser Zukunft voll im Griff gehabt.

Ich darf gar nicht in den anderen Foren lesen, habe Angst, ich könnte mich dazu verleiten lassen, meine Wut rauszuschreien. Was macht man sich vor, wenn man liest, wie die einzelnen Kämpfe so erfolgsversprechend sind. Alles Quatsch! Alle drei Monate die Angst, dass der Tumor irgendwo anders seine "Eier" gelegt hat, dann vielleicht - mit viel Glück - wieder eine erlösende Untersuchung, bis zum nächsten Mal. Das war nicht unser Leben. Unser Leben war glücklich und unbeschwert. Nun ist es zu Ende, aber das ist ehrlicher, als noch Monate oder sogar Jahre in der Angst zu leben und dann am Ende doch diesen erbärmlichen Kampf zu verlieren.

Wahrscheinlich hat Claus das auch gewusst und er hat es nicht gewollt, nichts aufschieben, was nicht aufzuhalten ist.

Bitte entschuldigt meine Wut, aber ich deute diese Plattform hier auch irgendwie als Möglichkeit das rauszulassen, was ich doch zumindest bei meinen Kindern unter Kontrolle halten muss.

Trotzdem habe ich eines erfahren in dem letzten halben Jahr. Unsere Ärzte wissen nichts, aber rein gar nichts. Sie sind kaum einen Schritt weiter gekommen. Der Krebs hat immer noch die Oberhand. Alles ist möglich, nichts ist voraussehbar, jedes Ende offen, aber wenn die Diagnose erst einmal gestellt ist, ist nur das wann noch die Frage, nicht das dass

Ich bin so schrecklich wütend und unendlich alleine
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