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Alt 22.05.2017, 11:43
Erzsi Erzsi ist offline
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Standard AW: Bin neu hier - seit gestern BK triple negativ

Liebe Gabbi,

Während der Behandlungen war ich eigentlich immer ganz frohen Mutes. Man hat ja viel zu tun und ist auch irgendwie immer im Stress. Ich habe mich immer bemüht, nicht an meine Situation zu denken und positiv zu sein. Der Vorteil der Chemo war auch, dass ich so müde war, dass schlafen kein Problem war. Vor Beginn der Chemo hatte ich ja einige schlaflose Nächte....

Zusätzlich: ein schnelles Tumorwachstum hilft dir sozusagen bei der Chemo, weil die ja auch auf die schnell wachsenden Zellen geht. Also spricht ein schnell wachsender Tumor bzw. schnell teilende Krebszellen besser auf eine Chemo an. Das habe ich mir immer wieder vorgesagt. Und ich habe mir jeden Tag in der Früh gesagt, wie glücklich ich sein kann, dass der Tumor noch rechtzeitig entdeckt wurde.

Sonst würde ich viel spazierengehen, schlafen, Kino, was auch immer - etwas, das Dir Freude bereitet. Mir hat wahnsinnig geholfen, dass ich immer gearbeitet habe. So war ich tagsüber gut abgelenkt. Es hat sich nicht alles um den Krebs gedreht. Das Leben war so weit wie möglich normal - oft bin ich sogar erschrocken, wenn ich im Bad plötzlich in den Spiegel gesehen habe, weil ich vergessen hatte, dass ich keine Haare mehr habe

Ganz schlimm war für mich, wenn ich im Internet gegoogelt habe. Da kommt man nur auf die falschen Gedanken. Ich habe damals zB ziemlich viel über Miriam Pielhau gelesen - weil ihr Tod für mich damals schon so erschütternd war. Man kennt die genaue Diagnose nicht, man hat nur Infos aus der Klatschpresse - mich hat das massiv verunsichert. Ich hatte das Gefühl, dass alle Frauen an Brustkrebs gestorben sind. Dann hab ich mir im Handy eine Liste gemacht. Eine Liste von Frauen, die Brustkrebs überlebt haben. Und immer, wenn ich das Gefühl hatte, es geht nicht mehr, hab ich auf diese Liste gesehen.
Kylie Minogue
Anastacia
Sylvie Meis
Cynthia Nixon
Sheryl Crow
Olivia Newton John
Melissa Etheridge
Christina Applegate
Marianne Faithful
Fran Drescher
Eine Freundin meiner Mutter
Meine frühere Nachbarin 2 Mal

Und manchmal hab ich in diesem Forum den Mutmachthread gelesen. Irgendwie war für mich immer der Gedanke, dass ich auch überlebe, wenn andere das haben. Dann gibt es eine Chance. Ich weiß, dass der Gedanke dumm ist und die Erkrankung anderer Frauen mit mir gar nichts zu tun hat und über mich nichts aussagt. Aber es hat geholfen.

Und dann habe ich mir so Ziele gesteckt - die 7. Staffel TWD muss ich erleben, um zu sehen, wen Negan tötet. Dann musste es der 2. Teil der 7. Staffel sein. Dann die letzte Folge. Jetzt die neue Staffel von Twin Peaks. Und dann wird es die Reise zu meiner Freundin in die USA sein. Kleine Ziele, die für mich immer so Wegemarken waren - bis hierher hatte ich es geschafft.

Und Rachel Platten "Fight Song". Bei dem Lied weine ich heute immer noch.

Liebe Gabbie,

Das vielleicht auch noch als Nachtrag - sonst klingt es immer so, als wäre ich wahnsinnig tapfer:
In den ersten Tagen habe ich nur geweint und mich jedem Gespräch verweigert. Meine Freundinnen haben der Reihe nach angerufen, Nachrichten geschickt, wollten trösten und unterstützen. Ich bin nur weinend im Bett gelegen und habe die Welt verflucht.
Dann kam die Phase, in der ich furchtbar unleidlich war. Die Frau eines Freundes meines Partners habe ich in unserem Sportverein so böse angebrüllt, dass man es über den ganzen Platz hören konnte. Und das nur, weil sie gefragt hat, wie es mir geht.
Zwei meiner besten Freundinnen habe ich furchtbar angeblafft - so arg, dass ich mich gar nicht mehr getraut habe, mich bei ihnen zu melden.

Und ausnahmslos jeder hat mir gesagt, dass es in Ordnung ist, wenn ich nicht mehr kann und nicht die Tapfere spielen kann. Glaub mir, das ist normal. Das Weinen, das Aus-der-Haut-Fahren, die Verzweiflung.

Liebe Grüße
Erzsi

Geändert von gitti2002 (22.05.2017 um 15:04 Uhr) Grund: Beiträge zusammengeführt
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