Liebe Gujo
wie schön von Dir zu lesen! Und soooooo schöne Nachrichten bringst Du mit!
Ganz herzlichen Glückwunsch zum fünften Jahrestag! Und vielen Dank dafür, daß Du uns hier davon erzählst!
Gerade vor ein paar Tagen mußte ich wieder an Dich denken: da hatten wir hier wunderschönes Wetter und ich war mit den Kindern im Garten. Meine Blumenbeete sehen nach über einem Jahr Nichtstun und dem trockenen Sommer erbärmlich aus, und richtig Wässern, Hacken und Unkrautjäten schaffe ich noch nicht. Aber es hat mich so in den Fingern gejuckt, daß ich zumindest ein paar verbühte Stauden heruntergeschnitten und lange Rosentriebe abgeknipst habe. Da mußte ich an Deinen Garten denken (oder vielmehr: meine Vorstellung von Deinem Garten) und habe mir ausgemalt, wie Du den ganzen Sommer über darin gewerkelt hast und jetzt mit den Herbstarbeiten beginnst. Aber wahrscheinlich konntest Du jetzt mit Deinem Bein gar nicht so, wie Du wolltest. Hoffentlich geht es mit dem Kompressionsstrumpf bald besser!
Eines meiner Lieblings-Herbslieder hat den Text:
Zeit der Reife, Zeit der Ruhe,
die du nun zu uns gekommen,
sieh, wir stehn vor deiner vollen Truhe,
möge es uns frommen.
Alles Gut muß wandern, wandern,
einer erntet für den andern.
Diese letzten beiden Verse sind der Refrain und werden in dem Lied als Kanon gesungen, so daß es wrklich so klingt, als würde etwas weitergegeben, von einer Hand in die andere...
Oft kommt es mir hier auch so vor: wenn jemand gute Nachrichten mitbringt, gibt er die Freude an die anderen weiter. Aber natürlich geschieht dasselbe auch mit traurigen und erschütternden Erlebnissen. Ich denke, das ist gut so: all das muß seinen Platz haben dürfen (und MM-Manuela
hat gerade einen neuen Raum für Trauer- und Wut-Empfindungen eingerichtet, was ich für eine sehr gute Idee halte). Aber Du hast recht: jede hier muß auch auf ihre Kräfte achtgeben und möglichst gut erspüren, wieviel traurige Nachrichten sie ertragen kann und wann es besser ist, Abstand zu halten. Insofern hat Deine Auszeit auch etwas Vorbildhaftes an sich. Und das meine ich ganz ernst: ich für mich glaube auch, daß ich noch viel besser lernen muß, meine Kräfte einzuschätzen - und je länger ich darüber nachdenke, umso mehr komme ich bei dem Gedanken an, daß meine Erkrankungen sich vielleicht auch nicht zufällig an ein paar Jahre anschlossen, in denen ich mich intensiv um Freunde mit Depressionen, Ängsten und Ehekrisen gekümmert habe (neben Familie und Beruf versteht sich), was alles sehr kraftraubend war....
Liebe Gujo, ich hoffe, Dein Rheuma plagt Dich nicht allzu schlimm und Du kannst noch einen möglichst goldenen Herbst erleben!
Alles Liebe und Gute für Dich!
Deine Linnea