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Alt 11.02.2003, 20:55
Gast
 
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Liebe Elisabeth M.

Auch ich habe mir den Film angesehen und war ebenso beeindruckt wie Du, sowohl von Ute Salow-Schink als auch von der Arbeit, der sehr behutsamen und feinfühligen Arbeit des Filmteames.

Ich habe Deine Zeilen gelesen und allem, was Du schreibst zustimmen können. Ich selber habe eine unheilbare, aber im Moment auch stabile Tumorerkrankung und früh machte ich mir darum auch Gedanken, wie ich denn sterben möchte.

Dazu habe ich mehrere Gedichte geschrieben, eines, es ist zwar mehr ein Text, schreibe ich Dir hier mal auf, weil ich denke, dass Du darin, ähnlich wie ich in Deinem Text, Deine Gefühle oder Gedanken wiederfindest.

Vielleicht schreibst Du mir mal, wie der Text Dir gefällt. Tät mich freuen. Alles Liebe und jeden Tag eine Freude wünscht Dir

Ladina

Stationen
**********
Ich war in vielen Krankenhäusern,
auf vielen Stationen.
Manchmal kam ich als Notfall
und manchmal stand mir ein Aufenthalt lange bevor,
sodass ich vorher zum Reinschnuppern hingehen konnte,
um dem Fremden ein Gesicht zu geben,
der Angst vor dem Unbekannten ihren Grund
und den Alpträumen ihren Inhalt zu nehmen.

Doch immer, wenn ich auf so eine Station ging,
lebte die Hoffnung in mir, sie nach einer bestimmten Zeit wieder verlassen zu können.
So habe ich all diese Stationen unter dem Gesichtspunkt begutachtet,
dass sie nur Durchgangs-Station waren.

Nicht jede dieser Stationen war gemütlich,
doch ich wusste, ich würde zurechtkommen auf Zeit
und dann wieder gehen können.
Und alle in meinem Umfeld konnten mein Tun verstehen.

Vor kurzem aber habe ich meine Sterbe-Station besucht,
mich auf dieser letzten Station ganz bewusst umgesehen,
so, wie wenn man sich eine neue Wohnung anschaut.
Ich habe nicht wie früher Menschen besucht, die da wohnen,
sondern ging ganz bewusst für mich dahin,
und die letzte Angst vor diesem endgültigen Schritt auf diese Station,
ist einer besonderen Art der Vertrautheit und der Vorfreude gewichen.

Ich habe mich dieser angstbesetzten Station angenähert
und bin frei von jeglicher Furcht oder Panik wieder gegangen.

Die wenigsten Menschen in meinem Umfeld aber
brachten Verständnis auf für dieses Handeln,
quasi meine letzte Station freiwillig zu betreten und mich dort umzuschauen
unter dem Gesichtspunkt einer Bleibe auf restliche Lebenszeit.
Es hat sie befremdet
und dünkte sie makaber.

Nichts desto trotz,
mir hat es geholfen,
auf der Palliativ-Station reinzuschnuppern.
Es hat mir weder meine Zukunft getrübt,
noch den Wunsch zu sterben genährt.
Es hat mein jetziges Leben nicht verändert,
aber der Gedanke an mein Sterben irgendwann
ist um eine Hoffnung reicher....

Ladina, im Oktober 2001
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