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Alt 26.03.2010, 08:36
Silleke Silleke ist offline
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Standard AW: Sterbehilfe - was meint ihr dazu ?

Zitat:
Zitat von Boxerhund1 Beitrag anzeigen

Worum es heute geht, sind die leidenden und sterbenden Menschen, deren Willen man respektieren muß - an die oberste Stelle setzen muß. Es geht EBEN NICHT um die Vernichtung "unwerten Lebens" wie bei den Nazis - es geht um Menschlichkeit und die Gnade eines friedlichen, angst- und schmerzfreien Sterbens, wenn es dann mal soweit ist.

Ich verstehe nicht, wieso das so ein Problem ist für manche - einfach menschlich zu handeln. Wenn die selber einmal betroffen sind, werden sie genau das für sich selber einfordern. Solange man selber allerdings nicht betroffen ist, kann man sich leicht auf das ethische hohe Roß setzen. Und das ist für mich Heuchelei pur.
Guten Morgen Cori,
Dein Posting finde ich fast schon verwirrend. Meines Wissens wehren sich am lautesten gegen aktive Sterbehilfe Behinderte selber. Während Nichtbetroffene ,oft sind es Angehörige, vehement das Leiden beenden wollen. Im großen ganzen scheint mir das auch hier im Thread so zu sein .

Mir macht es Angst ,mit welcher Selbstverständlichkeit man Kranken unterstellt, ihr Leiden nicht tragen zu wollen oder zu können. Warum soll denn Sterben unbedingt friedlich, angst-und -schmerzfrei sein ? Ist das dem Ereignis angemessen ? Was meint es, den Willen Leidender zu respektieren ? Das kann doch nur bedeuten,das zu respektieren, was der Betroffene will. Wenn ich als Betroffene nicht entscheide, mir mein Leben zu nehmen, mache ich auch klar, was ich will. So richtig verstehe ich nicht, wieso all die vielen Kranken, die sich mit klarem Verstand und dem Wissen um den Fortgang der Krankheit gegen ein vorzeitiges Ende entscheiden, später dann Objekte der Gnade werden sollen.

Mein Behindertenverband spricht sich, wie so etwa alle, gegen aktive Sterbehilfe aus. Und ringt gleichzeitig darum, dass Behinderte teilhaben dürfen. Wolfgangs nüchterne Feststellungen zu Rechten Behinderter und der Diskriminierung auch anderer Randgruppen sollten wir bedenken. Auch ich mache mir wesentlich mehr Sorgen darum, wie lange unsere Gesellschaft , auf einem ungeheuren Schuldenberg sitzend,noch bereit sein wird, behindertes Leben zu finanzieren. Stefan hat darauf hingewiesen, dass die Vernichtung der "Ballastexistenzen" keine eigentliche Erfindung der Nazis gewesen ist. Sondern vielmehr ihren Ursprung hatte in gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen vieler Jahrzehnte. Ich stimme ihm nur in einem wichtigen Detail nicht zu. Es sind nicht irgendwelche ominösen Theologen, Ärzte, Philosophen gewesen. Nein, das war die Entwicklung einer Zeit, eines ganzen Volkes. Und so verabschieden Angehörige ,die die Oma nicht mehr pflegen wollen , den psychisch kranken Verwandten verleugnen , und Arbeitslose faul finden, natürlich keine Gesetze . Aber sie gehen wählen.

Heute angesichts der Wirtschaftskrise ,angesichts der immer größer werdenden Zahl der Kaputten, Kranken, Behinderten, die nicht mehr leistungsfähig genug sind , keine Sorgen zu haben vor neuer Ausgrenzung, vor neuer Euthanasie, getarnt als Mitleid , das ist mir unbegreiflich. Für mich als Behinderte sind diese Befürchtungen Alltag. Und das einzige Argument , was die Politik noch abhält, deutlicher zu werden, ist die Erinnerung. Aber ich bekomme auch heute keine Reha .Barrierefreie Klinikplätze werden an Privatpatienten vergeben .Ich verzichte auf bestimmte ärztliche Untersuchungen, weil nicht erreichbar. Ich ertrage genervte Ärzte, weil jeder Termin mit mir länger dauert , und das ist nicht im Budget drin. Ich akzeptiere, dass man mit dem Geld der Pflegekasse nicht jeden Tag sauber gewaschen sein kann.
Ich weiss schon, wir sind hier in einem Krebsforum, nicht in einer Organisation für Behinderte. Aber auch Krebs kann dauerhaft behindert machen, und eine so schwierige Thematik wie die der Sterbehilfe kann man nicht beschränken auf bestimmte Personenkreise. Wenn aktive Sterbehilfe gesellschaftsfähig würde, so würde sie gerade Schwerstbehinderte besonders bedrohen. Die Sichtweise der Behindertenverbände dazu ist eindeutig, und sie ist es nicht zufällig . Das mindeste, was ich von jedem Befürworter der aktiven Sterbehilfe erwarte, ist, sich auch für mein Recht auf Leben einzusetzen. Ich habe mich nämlich für das Leben und für das Leiden am Leben entschieden .Für ein Leben, das öfter von Aussenstehenden abgewertet wird. Natürlich sind die Leute nicht so direkt, mir gleich zu sagen, man wolle mich erlösen . Zumal ich meist vergnügt und nicht leidend aussehe. Aber wenn ich bekenne, den Fortgang meiner Krankheit im Gottvertrauen gelassen hinnehmen zu wollen, obwohl ich weiss, was voraussichtlich kommen wird, so wird mir gerne mal leichte geistige Verwirrtheit attestiert.Nun, ich bin ja nicht gezwungen, meine Sichtweise von Lebenssinn anzupassen an die gesunden Leistungsträger der Gesellschaft. Nur was passiert, wenn die bemerken, dass mein angeblich erbärmliches Leben auch noch jede Menge Geld kostet ? Während uns die Staatspleite droht.

Verzeiht mir meinen persönlichen Einwurf, aber Theorie ist manchmal zu theoretisch.

liebe Grüße
Silleke