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Alt 31.01.2010, 12:55
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
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Standard AW: Was SIE will, nicht, was ich will

Hallo,

vorab erstmal sorry an Veranda, ich bin halt für klare Worte unbeliebt...

Zitat:
Zitat von Veranda Beitrag anzeigen
ein echtes Problem wird sein, dass wir alle denken, sie muesste was an ihrer Einstellung aendern.

ABER DAS WILL SIE BESTIMMT NICHT HOEREN.
Gut so. Spontan fällt mir dazu ein: für wie blöde haltet ihr sie eigentlich? Sie liegt im Krankenhaus, weiss, dass sie schwer krank ist. Und hat jeden Tag endlos Zeit, darüber nachzudenken. Und genau das wird sie tun. Aber Menschen gegenüber, von denen sie spürt, dass die alle denken, sie sollte lieber das und das tun, wird sie das natürlich kaum äußern. Viel zu anstrengend und ausserdem sinnlos in so einer Krise - noch gegen echten Meinungs-"Gegenwind" ankämpfen? Da wird sie wohlweislich besser Schweigen. Das "echte Problem" ist euers, nicht ihres!

Zitat:
SIE versucht halt gerade, sich erst mal zu fangen und wieder sie selber zu werden, klar, nach dem Schock.
Schon mal dran gedacht, dass sie jetzt gerade, in ihrer Situation, völlig _sie selbst_ ist ?

Zitat:
Nur ist vielleicht nicht viel Zeit: ein Tumor hockt inoperabel in der Leber, der kann nur im Wachstum gehemmt werden. Es ist also kaum moeglich, erst mal monatelang zuzuschaun, wie sie nix aendert.
Wieso ist das "kaum möglich". Es ist ihr Tumor, und sie muss damit klarkommen. Was sie "ändern" will oder nicht, ist ihr Ding. Glaubst du ernsthaft, dass sich ein inoperabler Tumor davon beeinflussen läßt, dass die Patientin "was an ihrer Einstellung aendert" ?!?!

Mir ist nicht klar, worum es dir eigentlich geht. Sicher, es ist schwer, jemanden, den man liebt, leiden zu sehen. Und zu glauben "der macht das doch falsch, das weiss ich besser". Noch schwerer ist es, zu akzeptieren, dass nur der Kranke über sich und seine Zukunft entscheidet. Und dass das "wir alle denken, sie muesste..." nicht nur völlig gegenstandslos ist, sondern gegenüber dem Kranken eine Unverschämtheit.

Frag sie "was möchtest du, was können wir für dich tun?". Aber behalte das "wir alle denken, du solltest" bitte für dich. Weil es nicht um dich oder "euch alle" geht, die so schlau denken. Sondern ausschließlich um die Betroffene.

Zitat:
is schwer zu loesen: hilfts ihr mehr, wenn wir sie machen lassen - oder muessen wir zu ihrem eigenen Besten mal was zu ihr sagen, was ihr total ueberhaupt net passt?
Was ist daran schwer zu lösen? FRAG SIE! Und wenn sie sagt, ich möchte das und das, aber das und das nicht, und über das und das möchte ich nicht sprechen. Dann sollte das doch wohl klar genug sein.

Ich kann dir nur dringend raten, deine eigene Motivation zu hinterfragen, wenn du ernsthaft glaubst, du "müßtest" einem Todkranken "zu seinem eigenen Besten" etwas sagen, was ihm "nicht passt". Was ist deine Rolle: Missionar oder Seelsorger?

Meine Frau ist vor gut einem Jahr an Brustkrebs gestorben. Und mit das Angstrengendste im Vierteljahr vor ihrem Tod, als klar war, dass sie sterben muss, war: die Menschen abzuwehren, die alle (natürlich nur zum Besten meiner Frau!) dachten, sie müsste das und das... da doch optimistisch sein, da noch den Professor x mit neuer Therapie y konsultieren, da noch Gottvertrauen entwickeln, da nicht den Mut verlieren, sich da gesund ernähren, da noch die nächste Chemo anfangen, sich da schonen, aber da noch Energie entwickeln... usw. usf.

Und alles Theoretiker. Denen es im Grunde gar nicht darum ging, meiner Frau zu helfen. Sondern darum, dass sie selbst ein Problem damit hatten, hilflos zuzusehen, wie ein Mensch stirbt. Dass man dieses Problem hat, ist mir verständlich. Aber in der Situation konnten wir diese Art von Gesundbetern, Schönrednern und Tipps-in-allen-Lebenslagen-Absonderern nicht mehr ertragen. Im Telefon kamen sie auf die blacklist, und vor'm Krankenzimmer habe ich sie persönlich abgewiesen.

Übrig blieben die Menschen, die meine Frau und ihre Art, mit ihrer Krankheit umzugehen, akzeptiert und respektiert haben. Das waren zum Glück auch noch einige.

Viele Grüße,
Stefan
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