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Alt 26.05.2012, 15:39
G.Sundheit G.Sundheit ist offline
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Standard AW: Was waren/sind eure gesellschaftlichen Hürden?

hallo ihr lieben,

das ist ein sehr schöner thread um sich auszutauschen und auch zu sehen "denen geht es genau so"

vor meinem krebs hatte ich beruflich viel mit krebskranken zu tun (krankenschwester) und zu den 2-3 sachen, die ich dabei nicht verstehen konnte gehörte immer, daß (meist ältere) kranke ihre krankheit vor ihrem gesamten umfeld geheim hielten, sogar logen ("haarausfall deshalb perücke") oder sich einfach über die krankheit auf kein gespräch einliessen.

HEUTE und selbst betroffen kann ich das sehr gut verstehen

auch wir krebskranken müssen unser umfeld verstehen, das wurde mir schon klar als sich mit paukenschlag meiner diagnose eine freundin nicht mehr meldete, sogar nicht mehr ans telefon ging wenn sie meine nummer sah und nicht zurückrief. sie fragte andere freundinnen per sms, wie es mir geht.

ihr mutter sagte mir dann "sie kann das nicht aushalten" und "sie hat noch nie mit soetwas was zu tun gehabt und fürchtet sich davor"
gut, ich versuchte sie zu verstehen, aber es kommt eben darauf an, was wir daraus machen und ich kappte für mich diese freundschaft. ende. aus. diese frau kenne ich nicht mehr, auch wenn ich ihr damit unrecht tue oder es ihr gutes recht ist, sich so zu verhalten wie sich eine andere freundin ausdrückte.

einer meine chemo-freundinnen lief der ehepartner buchstäblich weg, nicht, ohne ihr vorher an den kopf zu werfen daß er es mit einer "ewig kranken frau" nicht mehr aushält und daß er endlich "wieder leben möchte"
sie dachte darüber nach und fand verständnis denn sie war schon vor dem krebs chronisch krank und brauchte viel hilfe.
sie lies ihn ohne groll gehen und organisiert nun ihr leben neu was ihr sehr gut tut.

gerade überlege ich noch, wie ich mit meinen kolleginnen umgehen werde denn die rückkehr ins berufsleben steht dann, in ein paar wochen unmittelbar bevor.
da die chemo über 6 monate lang her ist, der krebs ja "herausoperiert" wurde und es mir ja schon soooo gut geht erwartet mich das gleiche wie ricola, mit dem tag meiner wiederankunft soll ich an den tag vor meiner diagnose anknüpfen.....unmöglich!

manchmal telefoniere ich mit kollegen und spreche auch mal über die "NW" von denen für mich die schlimmste ist, daß ich nach 4-5 h auf den beinen völlig platt bin und mich hinlegen muß. daß ich oft nicht wirklich in die pötte komme und der tag dann schon vorbei ist ohne daß ich die hälfte geschafft habe. daß ich mit dem tempo meiner kinder nicht mehr mithalten kann. mein dicker lympharm, mit dicken wurstlfingern (auch noch rechts) der mich einfach nur behindert und für den ich jetzt täglich zur physio muß....meine sensibilitätsstörungen in den fingerspitzen..

tja, die antworten darauf sind immer gleich, auch bei meiner familie, selbst bei meinem mann:
- das wird schon
- sei froh, daß es schon viel besser geworden ist
- das geht auch noch weg (wenn ich dann sage, daß das lymphödem nie mehr weggeht kommt automatisch daß ich aber doch "dafür" den krebs besiegt hätte)

...nein, ich lasse es, zu erwähnen, daß dieser krebs nicht in 10 jahren besiegt ist und schon gar nicht nach einem jahr und meine kollegen müßten es ja alle besser wissen....aber....anderne menschen mit chronischen/akuten erkrankungen geht es auch schlecht und auch sie bekommen weder zuspruch noch rücksichtnahme, auch sie werden mit sprüchen abespeist, auch sie leiden weil sie sich nicht ernst genommen fühlen. meine cousine hat MS, sie ist 33 und arbeitet noch, der freund meines mannes hat seit 12 jahren rheuma....ich weiß, das es so ist und es "beruhigt" mich etwas und ich verlange deshalb von den menschen nicht zu viel. *schachtelsatzoff*

manchmal gebe ich es mir und spiele bewußt den "krebs" aus. wie z.b. wenn mich jemand fragt ob ich einen "tennisarm" habe wegen dem lymphödem. "nein, ich habe krebs." ist dann meine standartanwort und ich schaue in pikierte gesichter. menschen, die sofort das thema wechseln. ja, ich kenne diesen sarkasmus auch.

lg
gesine
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