Thema: Yes I Can
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Alt 13.11.2009, 13:12
loewi loewi ist offline
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Standard 11.august 2009

so, jetzt bin ich an dem punkt angelangt, vor dem ich mich irgendwie seit halb zehn rumdrücke. habe fleißig meine ganzen beiträge aus dem letzten halben jahr hier in mein krebstagebuch kopiert, sollte eigentlich seit stunden schlafen, aber ich habe heut wieder so eine ich-weigere-mich-zu-schlafen-nacht ~ auch eine form der selbstverletzung wie ich meine. nun gut, egal, ich mag das, was mir seit einigen stunden, spätestens seit dem gespräch mit meiner betreuerin, durch den kopf geht loswerden:

so euphorisch ich bezüglich meiner bevorstehenden op war (und es eigentlich immer noch bin) desto mehr merke ich langsam gefühle wie befangenheit, genervtheit, missmut ja teilweise bis hin zu abstoßenden gefühlen und wut...
denn das was mit mir alleine in den vergangenen drei wochen geschehen ist, das hat so viel intimität. angefangen damit, dass die ct-aufnahmen von meinem bauch gemacht wurden über das knochenszintigramm, die mammografie und das ultraschall der brust, dann die nachsorgeuntersuchung bei meinem gyn und am tag drauf wollte dr.f. auch noch mal rein schauen (da habe ich aber stop gesagt). auch da habe ich immer und immer weiter mit mir machen lassen.
dann war ja am donnerstag die tumorkonferenz und jetzt merke ich, wie sehr eben die o.g. gefühle bei mir auftauchen. alleine die vorstellung es sitzen etwa zehn mediziner beieinander und schauen sich bilder aus deinem körper an. so doof es klingt, aber im moment empfinde ich es so dass mein körper nicht mir alleine gehört, denn wieder sind es andere, die, wenn auch nur zu meinem besten, über meinen körper bestimmen und entscheiden. und am donnerstag kommt wohl das für mich allerintimste, wenn sie eine darmspiegelung machen müssen. vor der untersuchung an sich habe ich nicht unbedingt angst nur vor der psychischen belastung durch die untersuchung, denn für mich wird es eine retraumatisierung sein (habe eben viel in der hinsicht im mb erlebt), doch ich weiß halt es muss gemacht werden. dann noch ein ct von der lunge und wieder schauen sie in meinen körper - klar, irgendwo finde ich es ja auch unsagbar faszinierend, aber erlebe es auch als bedrohlich - auch wenn man mir helfen will, es verletzt zur zeit einfach massiv meine intimsphäre. dann die frage wie sie mich operieren: wenn minimalinvasiv, dann heißt das, dass es ein für mich wieder fremder arzt macht. wird es offen operiert, macht es aller wahrscheinlichkeit nach der arzt, der mich derzeit betreut, dr.f.! und auch dieser eingriff - mir wird erst jetzt bewusst, wie sehr der ganze müll mit vertrauen zu tun hat... denn ich liege da unter vollnarkose während er an mir rumschneidet. er wird einblick in teile meines körpers haben. klar, für ihn ist es routine, sein täglich brot...aber für mich? ich muss kontrolle abgeben, meinen körper und dem anästhesisten mein leben in die hände geben und darauf vertrauen, dass sie ihren job gut machen - ich weiß dass sie es gut machen, das haben sie mir ja im vergangenen halben jahr mehr als einmal bewiesen.
aber mit dem entfernen der lymphknoten ist es ja nicht getan. denn dann beginnt das eigentliche vertrauen für mich - das vertrauen in meinen körper. denn derzeit habe ich keinerlei kontrolle über das, was in meinem körper geschieht und so muss ich ihm "einfach" vertrauen, was aber sehr schwer ist, wenn es schon einmal "enttäuscht" wurde. ich habe leichte kontrollzwänge entwickelt (die mich aber schon beginnen zu nerven), wenn ich schon nicht meinen körper kontrollieren kann...die ärzte sagen, dass es ein 5%iges risiko gibt dass es metastasen sind (aber entfernen doch nach langem hin und her und wollen schaun ob ich noch in der lunge und brustkorb lymphknoten habe? und dann die darmspiegelung??? - es macht mich sehr unsicher alles) - wie soll ich die kraft aufbringen ganz auf die 95% zu vertrauen dass es nur lymphknoten sind, wenn ich weiß was prozente bedeuten können? (es gibt ein risiko von unter 1% dass es bereits bösartig ist - vor entfernung der gebärmutter ohne irgendeinen krebsverdacht, rein im "guten" glauben, schlimmeres zu verhindern)...
und auch wenn ich mir vornehme, erst einmal den nächsten schritt abzuwarten, die entfernung der lymphknoten und dann das warten auf den pathologischen befund, was ja auch nochmal eine qual werden wird, und nicht an den übernächsten schritt zu denken (wie ist das ergebnis?) so lässt es sich nicht vermeiden, bereits an den übernächsten und den überübernächsten schritt zu denken:

- was ist, wenn doch ein oder mehrere lymphknoten befallen sind?
- bekomme ich dann eine chemotherapie?
- werden mir dann die haare ausgehen?
- wenn ja, soll ich mir nicht vorher die haare auf wenige milimeter stutzen, damit der verlust nicht so schlimm wird?

gott, ich komme mir so blöd vor, an so etwas zu denken und nicht positiv zu sein und zu sagen es wird nichts sein, denn 5% sind 5% und wieso kommen die jetzt auf die verdammte lunge? was hat meine gebärmutter und die lymphknoten mit meiner lunge zu tun?

lieber gott, ich mag doch nur, dass mein körper endlich wieder mir alleine gehört

so, nun ist es halb zwei und ich werde mal langsam doch ins bett gehen (wieder ohne medis, denn wenn ich sie jetzt nehme bin ich nacher bei meinem gespräch mit dr.f. komplett zu vergessen)

2:02 in der früh
hier fliegt grad die ganze zeit ein hubschrauber über meinem haus und wieder vorbei und über meinem haus... da kann man ja auch nicht schlafen .... böser hubschrauber (irgendwer muss es ja schuld sein )

also habe gerade bei mir diesen spruch entdeckt:

Optimisten haben gar keine Ahnung von den freudigen Überraschungen, die Pessimisten erleben.

heut um eins war ja mein termin in der uni bei dr. f.! weil ich keine ruhe hatte war ich schon um kurz vor elf da .
hab mich dann gleich fürs ct morgen angemeldet und siehe da um halb zwölf kam ich schon dran und er hat sich echt eine dreiviertel stunde für alles zeit genommen. mir alle fragen en detail beantwortet:

am 2. september ist OP. operieren wird mich derselbe arzt, der schon gebärmama und eierstöcke entfernt hat. von der naht (unterhalb der bauchfalte) sieht man nichts mehr und wenn der den bauchschnitt längst nun auch so genial hinbekommt dann habe ich ein riesen respekt (habe ich aber so oder so).
ich habe dr. f. auch von meinen gedanken erzählt und er hat es meiner meinung nach auch verstanden, aber sagt, sie (die mediziner) sehen das ganze natürlich vollkommen pragmatisch und entscheiden nur, was für mich das beste ist. übrigens hätte er es lieber gesehen, dass man die lymphknoten beobachtet aber sein chef, prof j., wollte, dass man sie entfernt.
es wird jetzt ein bauchschnitt von oberhalb des bauchnabels (unterm brustbein) bis zum schambein gemacht und es werden nicht nur die vier lymphknoten im bauchraum entfernt sondern (weil´s so lustig ist) auch noch die in der leiste mit raus, die mich ja immer wieder piesaken. ich meinte dann so ganz blauäugig "also dann insgesamt sechs?" sagt er: " sechs stück! 25 " ... naja was solls aber dann sind die hausbesetzer und mietnomaden erstmal der wohnung verwiesen. zwei stunden sind angesetzt und dann etwa sieben bis zehn tage krankenhaus und so vier bis fünf tage dauert die patho. danach sechs bis acht wochen kein sport und keine anstrengung

ja und ich habe ihn gefragt, was denn ist, wenn auch nur einer befallen ist, ob bestrahlung oder chemo und er sagte in dem fall "nur" chemo. aber egal auch das werde ich dann schaffen.

ich hab ihn dann gefragt, ob sie nicht gleich auch noch mein fett am bauch wegschneiden könnten, wenn es eh schon mal offen ist alles, aber geht leider nicht

aber was sehr cool ist, dass ich am 22. mit zu einem geburtstag kann auf dem ich eingeladen bin. darauf freue ich mich jetzt sehr.

so, alles in allem bin ich jetzt sehr erleichtert.

Habe heute eine sehr nette antwort auf meine wirren gedanken von heute nacht bekommen

Liebe Loewi,
lass' Dich mal ganz lieb in den Arm nehmen

zu Deinen Fragen:

- was ist, wenn doch ein oder mehrere lymphknoten befallen sind?
Die werden dann entnommen und es wird sicher entschieden, dass Du Chemo und/oder Radio bekommst, aber eigentlich ist das gemäss Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft eine Kombitherapie

- bekomme ich dann eine chemotherapie?
siehe oben - sehr wahrscheinlich ja

- werden mir dann die haare ausgehen?
wenn du als Monochemo Cisplatin bekommst fallen die Haare nicht aus und diese Chemo ist die, die bei GMHKrebs normalerweise eingesetzt wird

- wenn ja, soll ich mir nicht vorher die haare auf wenige milimeter stutzen, damit der verlust nicht so schlimm wird?
wenn Du schon immer eine Kurzhaarfrisur haben wolltest, dann mal los - sonst gibt es keinen Grund


Liebe Loewi, das, was Dir gerade mit Deiner Psyche passiert ist zwar recht unerträglich, aber total normal. Immerhin ist da was in Deinem Körper gewachsen, was Du nicht kontrollieren und somit einschätzen konntest. Das übernehmen nun Ärzte für Dich. Und ja, es scheint einer schier nicht enden wollenden Vergewaltigung gleichzukommen, wenn stets wechselnde (wenn auch freundliche) Menschen übergriffig in einen schneiden, reinschauen, bewerten etc. Das ist nicht so leicht zu verkraften. Auch ich habe nach meiner OP eine ziemliche Ärztephobie entwickelt und passe immer höllisch auf, dass mir ja nicht einer etwas mit mir tut, was nicht sein muss Hier in der Reha wollten sie mich wieder gynäkologisch untersuchen und Blut abnehmen. Da ich aber 10 Tage vor Antritt das bereits alles hinter mir hatte, habe ich laut NEIN gesagt und denen einfach einen Ausdruck meiner Blutwerte vor die Nase gelegt und ihnen erzählt, was bei der OP gemacht wurde etc. Auch habe ich heute meine Abschlussuntersuchung abgelehnt mit der Begründung, dass ich eh im Oktober wieder dran bin mit meiner Nachsorge. Ja, die Ärzte gucken dann etwas komisch, manche auch leicht beleidigt, aber das ist mir sch...egal! Es ist mein Körper!

Mein Körper, der mir weh tut, der nicht mehr von denen angefasst werden will. Mein Körper will keine Spritzen und Kanülen mehr ertragen, keine sterilen Gerüche. Meine Augen wollen kein blendendes Weiss mehr sehen und Langkittel schon überhaupt nicht. Mein Körper will nur noch den vertrauten Chefarzt, seine Schwester und ab und zu die technischen Zauberfrauen des MRT sehen Und das ist alles, was ich aushalte.

Weisst Du Loewi, es geht noch weiter: Mein Schatzi fährt so gerne mit mir Motorrad. Und ich habe so Angst. Nicht, dass mir etwas passieren könnte. Sondern dass mir was passiert und ich wieder in ein Krankenhaus muss Im Winter wollen wir Skifahren - und auch da habe ich Schiss Komischerweise habe ich beim Reiten mit meinem Pferd NULL Angst - verdrehte Welt

Ich kann Dir leider keinen Trost geben, aber vielleicht einen Rat: Zieh' das jetzt durch, auch wenn es enorm schwer fällt. Schreibe in ein kleines Buch, was Dich so traurig und wütend macht und bitte suche Dir emotionale Hilfe/Unterstützung professioneller Art und bei Freunden. Weine alle Schmerzen aus Dir heraus uns sprich' mit Deinen behandelnden Ärzten, denn sie sollen wissen, was das mit Dir macht. Dann werden sie hoffentlich freundlicher und einfühlsamer mit Dir umgehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese ganzen Behandlungen weniger schlimm sind, wenn die Menschen mit einem einfühlsam umgehen und sich etwas Zeit mit einem lassen. Dann fühlt man sich nicht ganz so überrollt. Wenn alles abgeklärt ist, alle Ergebnisse auf dem Tisch liegen, wird eine Strategie entwickelt, Dich von diesem ganzen Mist zu befreien. Und diesen Gang wirst Du dann gehen müssen, aber um gesund zu werden Die Erholung kommt danach. Und sie kommt - so ist das bei mir zumindenst gewesen

Also Loewi, wann immer Du zu einer Behandlung musst, träum' Dich in etwas, das Dich stark macht. Zieh' Dir ein Lieblingsshirt an als Ritterrüstung, oder nimm' Dir einen Talisman mit, der Dir Halt und Kraft gibt, eine Kette, ein Armband, was immer es ist. Mein Teddy war übrigens mit im OP und hat zugeschaut Egal, was andere denken, hauptsache es hilft DIR

Ich schicke Dir eine Portion Bärenstärke und Kraft, Du wirst es schaffen, wie wir auch
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Mitfreude, nicht Mitleid, macht den Freund aus. (Nietzsche)
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