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Alt 05.12.2013, 22:36
Voluntas Voluntas ist offline
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Standard AW: Wir holen Papa da raus!

Hallo ihr alle,

ich hoffe, euch allen geht es gut und ihr lasst euch von Xaver dort draußen nicht den Abend verderben!
Ich habe mich jetzt länger nicht gemeldet. Ich bin einfach froh, dass alles hinter uns liegt und hoffentlich auch so bleibt. Ich habe versucht, Abstand vom Thema Lymphom zu bekommen, aber so richtig hat das nicht geklappt. Dieses ganze verdammte Jahr hat mich sehr geprägt.

Jedenfalls möchte ich euch sagen wie es uns geht:
Papa geht es körperlich zunehmend besser. Er dreht schon wieder 2km lange Runden mit unserem Hund in normalem Spaziertempo.
Zunächst war eine Bestrahlung seines Bulks geplant trotz der PET-negativen Bilder, die leider nicht umgesetzt werden kann. Seine Blutwerte verhalten sich seit er zu Hause ist mäßig bis schlecht. Stand von Dienstag ist Hb 10,3, Leukos 1,4 und Thrombos 64. In diesem Bereich schwappen sie immer hin und her. G-CSF-Spritzen zeigen keine Wirkung. Die aktuelle Annahme ist, dass das Knochenmark durch die tägliche Nahme von Valcyte (Wirkstoff: Valganciclovir) - dem Medikament gegen den CMV bis Tag +100 ebenso wie Cotrim forte - in der Blutbildung gehemmt wird. Außerdem sagte unser Oberarzt, dass solche Werte nach einer SZT unabhängig davon nichts ungewöhnliches seien; so etwas ähnliches habe ich hier auch gelesen, stimmt das?

Meine Schwester geht weiterhin zur Schule und hat in zwei Kursen sogar die jeweils beste Klausur geschrieben. Wir sind ziemlich stolz auf sie. In den letzten Jahren waren ihre Leistungen auch immer in Ordnung, aber die Steigerung ist jetzt einfach nur schön.

Ich gehe wieder ins erste Fachsemester in die Uni, wiederhole also die ersten zwei Semester, und freue mich über jeden Tag, den wir gemeinsam glücklich verbringen können. Außerdem werde ich im Rahmen des Deutschlandstipendiums gefördert! :-)

Was ich jetzt schreibe, das versteht bitte richtig!
In ganz vielen Facetten macht es mich traurig Papa zu sehen. Zu sehen wie die Krankheit, die Therapie und sämtliche Komplikationen ihn gezeichnet haben. Er war vor drei Wochen mit meiner Schwester im Laden meiner Tante, um Ballettschuhe für sie zu kaufen. Wir haben leider nur sehr sporadisch Kontakt (sie ist geschieden und war mit dem A**** von Bruder meiner Mutter verheiratet). Das letzte Mal im April. Sie hat Papa angesprochen mit den Worten: 'Und was kann ich für Sie tun?'
Im Restaurant wurden wir gefragt, ob Papa unser Großvater sei.
Ich bin so stolz auf Papa, dass er alles für uns gepackt hat. Dass er für uns da ist und wir als Familie so ein tolles Team sind.
Nur tut es mir so weh, diese Veränderungen zu sehen. Diese ganzen zusätzlichen Belastungen und Niederschläge.

Wegen des CMV beträgt seine Lungenfunktion ca. 60%, die Ärzte - so glaube ich - sind wohl nicht davon ausgegangen, dass er nochmal ohne Sauerstoffkonzentrator auskommen würde.

Er braucht ein Hörgerät, weil die Ärzte bei der R-DHAP Gabe nicht darauf reagiert haben, dass er sagte, die Ohren rauschen. Mit bspw. Amifostin hätte man das verhindern können. Stattdessen sagte man ihm, das läge an Belastung und Kreislauf.

Seine Wirbelsäule ist zerstört durch das Cortison (was er rückblickend gegen das CMV- und das Lymphomfieber genommen hat). Wir waren mal beide ca gleich groß, aber jetzt bin ich 10 cm größer als er. Außerdem hat er starke Rückenschmerzen (zusätzlich bedingt durch die Bettlägerigkeit im Sommer?).

Er leidet meiner Meinung nach unter dem Fatigue-Syndrom, dieser nicht enden wollenden Antriebslosigkeit. Vielleicht sogar Depressionen? Aber da kümmert sich keiner drum.

Durch die Chemos friert er. Im Sommer sogar bei 32°C auf der Terrasse. Das hat sich noch nicht gelegt. Ich hoffe, das wird besser.

Außerdem haben die Chemos seine Zähne zerstört und jetzt kommt das allerbeschissenste. Der Termin beim Zahnarzt hat gestern ergeben, dass alle Zähne rausmüssen. Komplett neu mit Implantaten, was die probateste Lösung darstellt, kostet ca. 40.000 €. Die Kasse zahlt nichts. Wer kann das bitte bezahlen?! Habt ihr da Ratschläge? Erfahrungen?!

Außerdem stellt sich nun die Frage nach der Reha. Heute beim Sozialdienst hat sich als Schätzung ergeben, dass frühestens in 10 Wochen Reha beginnen kann, es dauert wohl so lange bis alle Anträge durch sind. Soll das wahr sein? Außerdem würde die Krankenkasse vorschreiben in welche Klinik es geht und man kann maximal Einspruch erheben und auf einen anderen - besseren - Vorschlag hoffen?
Wir möchte alle, dass er an die See kommt. Vor allem wegen seiner Lunge.

...und das alles in Summe zermatert mich. Ich weiß, die Fragen warum, wieso und weshalb sind zu nichts nutze. Aber fair ist das nicht und ab und zu übermannt mich der Kummer einfach. Ich werde mich daran gewöhnen. Und wir sind glücklich, dass wir uns immer noch haben. Und schlussendlich zählt:

Wir sind immer noch hier.
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Papa - 56 Jahre - DLBCL 01/2013, R-IPI: 1 (LDH)
02/2013 - 05/2013 6 x R-CHOP 21 - Refractory/Progressive Disease
06/2013 - 07/2013 2 x R-DHAP - PR (90%)
09/2013 - 10/2013 HD R-EAM + ASCT - CR
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