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Alt 11.09.2002, 00:16
Gast
 
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Standard Angst und Neid

Hi,alle zusammen!
Ich habe dieses Forum erst heute gefunden,obwohl ich schon eine ganze Zeit lang beim Krebskompass bin.Ich muss einfach sagen,daß dieses Forum eine feine Sache ist und hoffe,daß ich mich hier beteiligen kann.
Ich will mich erst mal vorstellen.Mein Name ist Frank,ich bin 35 und wohne im Raum Bielefeld.
Und dann sind da noch meine Frau und mein kleiner Sonnenschein,der 3 Jahre alt ist.
Desweiteren hab ich noch 4 Geschwister,drei Brüder und eine Schwester sowie unsere Mam.
Wir wohnen alle so ziehmlich auf einem Haufen.
Tja,zur Sache:Nach zwei Krampfanfällen hab ich meinen jüngsten Bruder Rene,32J,zum Neurologen gebracht.Das war so ca Ende Mai,Anfang Juni diesen Jahres.Die Ärtztin schickte uns nach einem EEG sofort ins Krankenhaus,CT,dann Kernspintomographie,und das Ergebnis war ein Glioblastom multiforme Grad IV (WHO)ca 3mal5cm in der rechten vorderen Kopfhälfte.Das hat uns alle doch ziehmlich umgehauen.Dann OP,welche sehr gut verlaufen ist und nun ist Bestrahlung angesagt,welche noch eine Woche dauert.
In den letzten zwei Wochen hatte mein Bruder dann zwei Krampanfälle.Gestern musste ich den Notartzt holen und nun ist er im Krankenhaus.
Ich und meine Frau haben Rene nach seiner OP zu uns geholt,da alle anderen nicht konnten aus verschiedenen Motiven.
Auch mein Bruder hat viele gute Ratschläge bekommen.Wie schon soviel geschrieben wurdeas wird schon....Hättest du doch eher....sogar: Er tut doch nur so mit seinen Anfällen......
Tja,jeder wusste was und alles besser.
Wie ich die Diagnose hörte,hab ich mich sofort rangemacht und alles gesucht,was mit Tumoren zu tun hat,sprich Internet,Bücher etc.Weil man ganz einfach hilflos ist und keine Ahnung hat.Dann hab ich für meine ganze Familie die wichtigsten Fakten zusammengestellt,damit alle wenigstens eine vage Vorstellung von dem haben,was jetzt auf uns zu kommt.
Hier im Forum habe ich viel über Hilflosigkeit Aussenstehender gelesen.Auch wir sind alle Hilflos.Aber ich habe ein ganz anderes Problem,und das ist Neid.
Neid auf eine Krankheit.Und Geltungsucht.Und das gegenüber einem Menschen,welcher schon in einem Jahr tot sein kann.Und das von seiner eigenen Familie.
Seit ich erfahren hatte,was mit Rene los ist,hab ich mich seiner angenommen(er ist alleinstehend),er war im Krankenhaus,also musste alles erledigt werden,was so anfälltRechnungen bezahlen,sein Chaos in Ordnung bringen,welches er durch seine EGAL-Einstellung verursacht hat und alles andere.
Da ist auch eine Menge Geld geflossen,von mir und meiner Ma.Obwohl wir alle nicht betucht sind.
Meine Ma hat Rene jeden Tag besucht,hat ihm Essen gebracht,sein Telefon bezahlt,Zeitungen gekauft
(er ist PC-Fan,genau wie ich).
Seine anderen Geschwister haben ihn besucht,so ein zwei mal die Woche,kluge Sprüche da gelassen und dann Tschüss.
Nach der OP sagte mir sein behandelnder Artzt,was los ist und das wir erst mal noch nichts sagen sollten,was Rene jetzt wissen müsste,wurden die Ärtzte erst mal machen.
Ich habe im Forum viel davon gelesen,das Angehörige Angst davor haben,dem Betroffenen zu sagen,was los ist.
Bei uns war es genau umgekehrt.Echt,es gingen Disskusionen darüber los,wer der schnellste ist.Ist es nicht lachhaft?!
Ich habe allen gesagt,was der Doc meinte.Oh-Ton:Ok,wir halten uns dran.
Drei Tage nach der OP,Rene ging es gerade etwas besser,kam dann einer seine Brüder zu Besuch und musste Rene erst mal richtig aufklären.Und ließ ihn dann allein ein geruhsamen Abend verbringen.
Abends beim Familientreffen ging es dann los:Wir (meine Ma und Ich) würden Renes Leben einengen,ihm alles abnehmen,ihn füttern,alles bezahlen,und er müsste es doch lernen und endlich mal merken,das nicht immer andere alles für ihn machen könnten.Und dann erzählt mein oben genannter Bruder mit Stolz geschwellter Brust von seiner heutigen Glanztat.
Und es kamen dann Aussagen wie:--Für mich macht das auch niemand,ich hab Kalziummangel--
--niemand denkt an mich,wie es mir geht----ich habe nen blauen Fleck am Bein,ist das auch Krebs--
Da bin ich wohl ausgerastet.Sagt meine Ma.
Am nächsten Tag habe ich mich dann mit dem Doc darüber unterhalten.Er war doch sichtlich geschockt und meinte dann,das er soviel Verantwortunglosigkeit bei einem Menschen noch nicht gesehen hat,und das will was heissen.
Einer meiner Brüder hat es jetzt endlich,nach zwei Krampanfällen,auch eingesehen,daß Rene nicht mehr alleine wohnen kann.Die anderen waren schon eine Woche eher überzeugt.
Im Moment sind wir auf der Suche nach einer grossen Wohnung,damit er sein Reich hat.
Drei Erwachsene und ein Kind in drei Zimmern macht sich auf Dauer nicht so gut.
Das wars erst mal.Ich glaube,zum Mut machen ist dieses nicht geeignet.Aber es muss ja weitergehen.
Schlaft gut! Frank
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