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Alt 04.08.2017, 19:23
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Frank Emm aus Weh Frank Emm aus Weh ist offline
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Standard AW: Tumor im unteren Bereich der Speiseröhre

hallo,

es wäre ja so schön und so einfach, wenn jeder Krebs eine eindeutige Ursache hätte. Dann wüsste wenigstens jeder Patient, dass und warum er selbst schuld ist an seiner Krankheit, oder wen er dafür verklagen muss.
Und wir könnten jeden Patienten und seine Erkrankung in eine schöne Schublade stecken und uns möglicherweise sogar freuen, dass wir selbst nicht in diese Schublade gehören.
Ist aber nicht so. Ganz in Gegenteil:
ich finde solche Aussagen wie "mein Vater hat wegen Rauchen und Alkohol Krebs bekommen" bedenklich. Genau so wie "er hat Krebs, weil er in einer Lackiererei gearbeitet hat". Es gibt bestimmt kaum einen Arzt, der z.B. Rauchen oder Alkohol oder eine ähnliche, im Verhalten oder den Lebensumständen des Patienten begründete Ursache als den eindeutigen Auslöser einer Krebserkrankung unterschreiben würde.
Denn das würde unmittelbar zu der Schlussfolgerung führen, dass der Patient am Ausbruch der Krankheit selbst schuld ist. Weil er getrunken hat, weil er sich den Beruf ausgesucht hat u.s.w.
Wenn also ein Patient (wie ich) jahrzehntelang unter Reflux und Magenschleimhautentzündungen gelitten hat, kommt womöglich als nächstes irgend jemand daher und sagt, dass das genau die Ursache für meine Krebserkrankung sei, und dass ich selbst schuld bin, es nicht früh genug und ausreichend behandeln lassen zu haben, oder mein Arzt, der es versäumt hat, mir den Magen rauszunehmen, bevor dort Krebszellen wachsen.
Es gibt sicherlich viele Faktoren, die eine Krebserkrankung begünstigen können, nämlich die bekannten Risikofaktoren, zu denen z.B. auch erbliche Vorbelastung, Vorerkrankungen, Umweltbelastungen u.s.w. gehören.
Wir sollten uns aber hüten, jemandem auf den Kopf zu zu sagen, dass er Krebs bekommen hat, nur weil er geraucht hat, zu viel Grillfleisch gegessen oder zu viel Alkohol getrunken hat.
Erstens gibt es Millionen Menschen, die das auch tun, aber nie Krebs bekommen, und zweitens sind solche Aussagen in keinem einzigen Fall medizinisch gesichert. Man tut einem Patienten, der schon genug an seiner Erkrankung leidet, mit solchen Aussagen sicherlich keinen Gefallen und wird den Tatsachen auch nicht gerecht.
Und sich selbst als Patient solche Fragen zu stellen, bringt erst recht nichts.

Um die vorausgegangene Fragestellung von Marek in diesem Sinne zu beantworten:
- die Ärzte sind nicht überfordert, sondern sie wissen, dass es in den allermeisten Fällen tatsächlich keine eindeutig belegbare Ursache gibt. Deshalb ist es gut und richtig, wenn sie auch nichts derartiges behaupten.
- Dass die Ursachen bei einem Patienten Rauchen und Alkohol waren, kann man weder wissen noch beweisen. Man kann höchstens vermuten, dass es dazu beigetragen hat.
- die Frage an andere Krebspatienten, welches wohl die Ursache ihrer Erkrankung ist, ist hier völlig unangebracht und wird zu keinen sinnvollen Erkenntnissen führen, denn das kann keiner wirklich wissen.

Es gibt natürlich Risikofaktoren, aber wir machen es uns zu einfach, wenn wir die eigene Krebserkrankung oder die anderer Menschen auf ein offensichtliches Fehlverhalten oder einen bekannten Risikofaktor schieben und alles damit begründen wollen.
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Diagnose Kardia-Karzinom T3 N1 M0 - Juli 2015
Neoadjuvant Bestrahlung/Chemo - Sept bis Nov 2015
OP Magenhochzug - Dez 2015
1. Reha in Bad Neuenahr - Jan 2016
2. Reha in Bad Neuenahr - Feb 2017
seitdem geht's ....

meine eigenen Erfahrungen mit der Magenhochzug-OP,
dem Leben und Überleben des Kardia-Karzinoms und
Nützliches zum Umgang mit Magen- und Speiseröhrenkrebs findet ihr hier

Geändert von Frank Emm aus Weh (04.08.2017 um 19:25 Uhr)