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Alt 15.05.2006, 08:36
shalom shalom ist offline
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Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Warum nicht nochmals zurückblicken ?!

Warum nicht nochmals zurückblicken, wie es damals während der Zeit der Krankheit war (Ich habe die folgenden Sätze in einem ganz anderen Thread dieses Forums mal auf eine Nachfrage geschrieben.):

Durch eine Krebserkrankung wird so etwa alles einer Belastungsprobe unterzogen, was vorher selbstverständlich und stabil war. Es ist auch so, daß einem der Boden unter den Füßen entzogen wird. Meine Frau und ich haben damals sehr viel nachgedacht, sehr viel geschwiegen, sehr viel miteinander gesprochen. Es klingt so banal, aber jeder von uns mußte erst neu herausfinden, wie mit der Krankheit und wie miteinander umgehen. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Jeder war auch sehr viel mit sich selbst beschäftigt, oder anders ausgedrückt: auf sich focussiert.

Das Meiste mußte neu austariert werden: Kontakte zu Verwandten und Freunden, die Selbstgestaltung des Tagesablaufs meiner Frau (jeden Tag aufs Neue mit sehr viel Zeit zum Grübeln), die Neugestaltung von Nähe und Distanz (im allgemeinen täglichen Umgang, im Erotischen, im Sexuellen) zwischen uns beiden mit häufiger emotionaler Rückversicherung. In den beschwerlichen Phasen ihrer Krankheit und bei den Nachwirkungen der schweren Chemos versuchte ich ihr alles Erdenkliche abzunehmen, sie jedoch wollte aus verständlichen Gründen nicht die Kontrolle über sich und ihre Umgebung komplett abgeben. Sie hat mir liebevoll signalisiert, daß sie sich ein wenig "overprotected" fühlte, und dies oder jenes selbst wieder in den Griff bekommen wollte.

Es gibt so viele Dinge, die ich als Gesunder mal eben schnell gemacht habe, für sie war jedoch jede kleine Aktion eine selbst vollbrachte Leistung und machte ihr Mut: Das kann ich schon wieder.

Es sind die vielen kleinen alltäglichen Dinge und der neue Umgang mit ihnen gewesen, die zeigten, ob ich/wir sensibel füreinander waren. Die "großen" Fragen standen dabei immer im Raum: Wie geht es weiter ? Was ist wenn ? Auch das haben wir nicht ausgeklammert. Zeit zum Nachdenken gab es ja viel, aber auch wunderschöne unbeschwerte GEMEINSAME Erlebnisse trotz Krankheit. Und genau die sind es, von denen ich jetzt noch zehre.

Es (war) ist eine sehr intensive, schwere und dabei sehr schöne Zeit, füreinander da zu sein. Diese gemeinsam erlebte Zeit (war) ist nicht wiederholbar, also lohnt(e) es sich bewußt und intensiv gemeinsam zu leben.


Vieles mußte neu austariert werden NACH der Krankheit, in der Zeit der Trauer, in der Zeit des Wieder-neu lebens-Wollens. Dabei hat mir die gemeinsame Zeit während der Krankheit sehr geholfen.

Liebe Grüße
Shalom
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Es ist nicht genug zu wissen, man muß es auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen, man muß es auch tun.


(Johann Wolfgang von Goethe)
"Wilhelm Meisters Wanderjahre", 3. Buch, 18. Kapitel
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