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Alt 04.06.2002, 09:57
Gast
 
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Standard Sie will das ich gehe!!

Hallo zusammen,
hallo Petra,
Du beschreibst gerade so schön einen so typisch "frustigen" Alltag eines Krebspatienten!

Mir sagt man auch ziemlich oft, es läge an mir selbst, wenn ich mich mal wieder zurück ziehe. Dabei gibt es meist für dieses "Zurückziehen" einen guten Grund dazu.
Ich will dann einfach lieber alleine sein, um diesem ganzen Frust, den Erwartungshaltungen und dem Stress zu entkommen. Ruhe, Ruhe, Ruhe! Und kaum gehe ich dann wieder raus, unter die Leute, fängt der ganze Druck einer Erwartungshaltung der Leute schon wieder von vorne an.
Manchmal schweige ich da lieber. Sage erst gar nichts. Manchmal hilft's. Aber nicht immer. Denn zwischendurch höre ich ja wieder diese ewigen gutgemeinten Zusprüche: "Nimm's doch nicht so schwer!" oder "Was willst Du denn, Dir geht's doch gut!" Und manchmal glauben die Leute, wenn ich schweige und "ruhig" auf sie wirke, dass sie mich dann mit allen möglichen Fragen bombardieren können, ... wie denn die letzte Untersuchung war, wie es denn jetzt weiter geht, ... und kaum antworte ich, die Untersuchung war GUT, die nächste folgt in drei Monaten, ... dann ist das Thema für sie bereits erledigt, wobei ich dann aber null Chancen noch dazu habe, ihnen irgendwie zusätzlich zu erklären, ... wie ich mich dabei FUEHLE! - Genau DA klemmen sie ab und es folgen dann nur tröstende Beschwichtigungen wie "Also die Untersuchung war doch GUT! Freu Dich doch!"

Klar, sie haben da ja recht. Aber dass man sich als Patient eben noch IMMER in diesem stockfinteren Raum mit dem Mörder zusammen befindet (man hat ja vielleicht noch IMMER irgendwo Zweifel, ob die Untersuchung auch WIRKLICH in Ordnung war!), genau DAS können sie kaum nachvollziehen.

Man bedenke: Da war mal ein Krebs im Körper! Der hat sich einfach so da rein genistet. Ohne Vorwarnung! Ohne Schmerzen. Er kann jederzeit wieder da sein. Genau so ohne Vorwarnung. Ohne Schmerzen. Ueber Jahre hinweg! Hinterlistig. Fies. Echt fies!
Soll man ihm trauen? Kann man ihm trauen? Wohl eher nicht. Lieber aufmerksam sein. Vorsichtig. Auf den Körper achten. In ihn hinein horchen. Jedes Zwicken und Ziepen ist verdächtig. Hm-hm! Und schaut der Arzt auch richtig hin? Hat er vielleicht was übersehen? Warum kann er mir dieses Ziepen da nicht erklären? Ist vielleicht doch wieder Krebs, aber der Arzt erkennt es bloss nicht? Mist! Soll ich nochmal hin? Einen anderen Arzt aufsuchen? - Oder nein, ich lass es sein! Wahrscheinlich bilde ich mir da bloss wieder was ein! Ist doch nur ein Ziepen! Sagen meine Angehörigen schliesslich auch: "Jetzt stell Dich doch nicht so an! Es ist doch alles gut!"
Am nächsten Tag: Bombastische Stimmung bei mir! Klar, die Nachuntersuchung war ja gut!
Am übernächsten Tag: Oder doch nicht? Jetzt hat es da schon wieder geziept!

Krebs ist nicht nur eine Krankheit, die man sehen kann und aus dem Körper heraus operieren kann. Sie ist MEHR. Es ist eigentlich erwiesen, dass der Krebspatient dazu noch eine zusätzliche psychische Belastung verkraften muss. Und zwar endlos. Lebenslang.
Die Frage ist dann nur, wie wir damit umgehen.
Aber für die Gesellschaft ist man GESUND, ... wenn der ganze Krebs mal weg operiert und behandelt wurde. Den Rest, die psychische Belastung, wird jedoch kaum mehr beachtet. Obwohl da doch mal was von der Wissenschaft erwiesen wurde ...!

Sind meine heutigen Gedanken. An Euch, Ihr lieben Angehörigen.
Bis dann!
Liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte
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