Thema: Ein Jahr...
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #26  
Alt 16.01.2010, 10:55
Stefans Stefans ist offline
Gesperrt
 
Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 426
Standard AW: Ein Jahr...

Hallo,

Zitat:
Zitat von Annett59 Beitrag anzeigen
Bist Du Dir da ganz sicher?

Du steckst ja auch grad im "Einjährigen"......

Ich habe noch keinen "Ansatz" gefunden, dieses "DANACH" leben zu können......
Je nach Stimmungslage bin ich mir da nicht immer sicher. Aber "im großen ganzen", langfristig, schon. Es gibt doch keine andere Möglichkeit? Es kann irgendwann besser werden, oder es kann so schlimm werden, dass man sich umbringt. Aber schwere Depris kenne ich, schlimmer als nach dem Tod meiner Frau, und weiss: die Hemmschwelle, das zu tun, ist _enorm_ groß. Ich bin schon tagelang "blind" mit dem Auto über Alleen gerast, auf der Suche nach "dem" Baum. Kamen auch ganz viele, aber ich habe das Steuer dann doch nicht rumgerissen. Ging mir wohl noch nicht schlecht genug.

Vielleicht ist dein "Ansatz" einfach Zeit. Ich weiss nicht, wie sehr man Kindern verbunden sein kann, wir haben keine. Aber ein Jahr ist m.E. für die Trauer nicht besonders lange.

Zitat:
Zitat von mollie Beitrag anzeigen
ich zweifele an mir selbst und mag mich schon gar nicht mehr leiden. die lebensfreude, die zuversicht, alles ist einfach weg. ich denke mal, dass ich gradewegs auf eine depression zusteuere. auch keine wirklich erquickenden aussichten.
ich wünschte ich hätte ne dritte hand..eine die mich aus dem loch zieht.
Wenn du das Problem erkannt hast, ist das schon die "halbe Miete". Die "dritte Hand" gibt es, nennt sich Psychiater, Psychotherapeut, Pfarrer, Seelsorger, Freund. Depressionen kann man behandeln. Ich lebe seit etwa 10 Jahren noch dank 150 mg Venlafaxin täglich. Wenn ich die absetze, stehe ich in 4-6 Wochen den ganzen Tag lang an der Bahn und komme aus dem "springst du jetzt oder springst du nicht" nicht mehr allein raus. Das ist reproduzierbar; ich tippe auf eine Störung im Hirnstoffwechsel. Von sowas lasse ich mich im Moment nicht einmachen, kommt nicht in Frage

Zitat:
Zitat von Morgana Beitrag anzeigen
P.S.: Das Hündchen sieht sehr gut aus!
Und kuschelig ist es. Meine große "Schmusekatze". Siehe unten. Auch, wenn sie im Freundeskreis nur "die Bestie" genannt wird

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
Es gibt soviele positive Dinge um dich herum. Du musst sie nur sehen, sehen wollen! Wenn du dich den ganzen Tag darauf konzentrierst, wie schlecht es dir geht und wie schön es damals war, dann bleibt kein Platz für andere Gedanken. Es gibt sowas wie Selbsthypnose: du musst nur lange genug daran denken, dass es dir schlecht geht, dann geht es dir tatsächlich schlecht.
Ja, klar. Negative Gefühle verstärken sich genau so wie positive. Und oft ist es schlichtweg eine Frage der Interpretation. Ich finde ja den Herrn von Hirschhausen (Kabarettist) klasse, der in seinem Programm "Glück kommt selten allein" (absolut zu empfeheln, sofort DVD kaufen!) ein Beispiel dafür gibt:

Wenn's im Magen grummelt und man gerade verliebt ist, denkt man: Toll, Schmetterlinge im Bauch. Wunderschön! Wenn's im Magen grummelt, ohne dass man verliebt ist, denkt man z.B.: _Nie wieder_ Fischbrötchen vom Jahrmarktstand! Was ist, wenn man im Zustand der Verliebtheit ein Fischbrötchen isst und dann der Magen grummelt, sagt er leider nicht...

Diese "Autosuggestion" ist auch der Grund dafür, dass praktisch jedes Medikament als häufigste Nebenwirkungen die sog. "gastrointestinalen" hat. Also Übelkeit, Magenschmerzen, Durchfall. Kriegt jeder Mensch, wenn er denkt "Oh Gott, was habe ich da eingenommen?" und längere Zeit konzentriert auf die Geräusche und Bewegungen hört, die der Bauch immer so von sich gibt. Was da ohne meinen Willen an Peristaltik abgeht... da kann einem ja nur übel werden! Was im Beipackzettel der Medikamente halt nicht steht: Auch in der Vergleichsgruppe, die nur Traubenzucker-Placebo bekam, gab es fast genau so viele gastrointestinale Nebenwirkungen wie beim echten Medikament

Nur: wenn diese "Selbsthypnose" im Positiven über längere Zeit nicht mehr funktioniert, man das "Schöne" also nicht mehr sehen _kann_ - dann ist Schluss mit "Selbstheilung", sondern Zeit für den Psychiater. Dann wird's pathologisch und im Laufe der Zeit immer schlimmer. Und Depris sollten dringend so schnell wie möglich behandelt werden. Je länger die Negativ-Spirale dauert, desto schwerer kommt man da wieder raus, und irgendwann geht es nicht mehr allein

Zitat:
Zitat von HelmutL Beitrag anzeigen
"Siehste, es hat auch einen Vorteil, dass du alleine bist. Du kannst tun und lassen, was du willst. Kannst hingehen, hinfahren wo und wann du willst. Brauchst niemanden zu fragen. Es ist dein Ding!" Zunächst war ich erschrocken über mich selbst. Es schien mir zuerst wie ein Verat. Wie konnte ich nur so denken? Ich vermisse meine Frau doch und es wäre schön, wenn sie noch da wäre!
Na und? Wenn man schon leidet, muss es doch auch ein paar Vorteile geben. Ist nur gerecht. Mir ging's da genau so wie dir. Und wenn mich Leute fragen, wie es mir ohne meine Frau geht (tun sie nicht mehr so häufig), sage ich oft: mitunter beschissen, manchmal erträglich. Aber es hat auch Vorteile: keiner verlangt von mir, dass ich dauernd das Bad putze; ich muss, wenn ich nachts rein zufällig am Kühlschrank vorbei komme, nicht mehr superleise sein, weil es sonst sofort aus dem Schlafzimmer meiner Frau ruft: "Machst du mir auch ein Brot? Und einen Tee dazu, bitte!" Ausserdem durfte ich meine superguten Boxen nach 4 Jahren endlich von der Scheune ins Wohnzimmer tragen (meine Frau fand sie "zu groß" und hat gestreikt). Und mir eine neue PA-Endstufe kaufen, mit der ich die superteuren Boxen in kürzester Zeit ins Jenseits geschickt habe, ohne dass jemand genervt hat, weil man für so viel Geld doch besser in Urlaub hätte fahren könnte. Ausserdem quillt nicht jedesmal, wenn ich gerade das Auto benutze, der Aschenbecher so über, dass er nicht mehr zu geht. Und niemand fängt Grundsatzdiskussionen nach dem Motto "so gehst du mir nicht aus dem Haus!" an, wenn ich mein "Nackt sehe ich _noch_ besser aus!" T-Shirt trage. Und, und, und...

Viele Grüße,
Stefan

PS: Was das Bad betrifft, habe ich übrigens letztens _die_ Lösung gefunden. Statt Putzen habe ich mir nach Ansehen der neuesten Ärzte-DVD ein Schild ausgedruckt und von aussen an die Badtür geklebt, das in einem der Videos auftaucht: Farin Urlaub mit Kochmütze (?!?!) und strahlendem Lachen, daneben schwarz auf gelb in Großbuchstaben der Text: "Diese Szene ist unzumutbar. Ich möchte mich dafür entschuldigen." OK, die DVD auf den Rechner zu kriegen, dieses Bild zu isolieren, zu bearbeiten und auszudrucken, hat _fast_ so lange gedauert wie einmal Bad putzen. Aber es hat ganz entschieden mehr Spass gemacht...
Angehängte Grafiken
Dateityp: jpg Lucky_Stefan_500px.jpg (24,9 KB, 144x aufgerufen)

Geändert von Stefans (16.01.2010 um 11:06 Uhr)
Mit Zitat antworten