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Alt 11.11.2007, 21:18
Skipper Skipper ist offline
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Standard Kleinzeller – Hoffnung trotz schlechter Prognose


Hallo zusammen,
als mein Vater im März mit Verdacht auf Lungenkrebs im Krankenhaus lag, bin ich bei meiner Recherche im Internet durch Zufall hier gelandet. Nachdem ich bisher als Mitleserin viele wertvolle Informationen und Tipps hier mitnehmen konnte (vielen Dank dafür an dieser Stelle), möchte ich heute die Geschichte meines Vaters, unsere Geschichte hier erzählen.
Vielleicht können unsere Erfahrungen anderen Betroffenen und Angehörigen weiterhelfen und etwas Mut machen.
Mein Vater (inzwischen 58 und starker Raucher seit über 40 Jahren) gehört zu dem Typ Mensch, der nach dem Motto lebt „Was von alleine kommt, vergeht auch von alleine wieder. Zum Arzt geht man nur im äußersten Notfall.“ Und genau so war es diesmal leider auch. Als er sich im März endlich zum Arztbesuch durchrang, war sein Gewichtsverlust und seine Entkräftung beim besten Willen nicht mehr zu verbergen. Aber obwohl er sowohl in der Familie als auch im Freundes- und Kollegenkreis schon die Monate zuvor mehrfach darauf angesprochen wurde, hat er wohl aus Angst den Arztbesuch aufgeschoben, bis es einfach gar nicht mehr ging.
Der Arzt stellte einen Gewichtsverlust von ca. 20kg (62kg bei 1,86m) fest. Da auch die Blutwerte auffällig waren, wies er meinen Vater umgehend ins Krankenhaus ein. Dort wurde dann nach umfassenden Untersuchungen folgende Diagnose gestellt: Kleinzelliges Bronchialkarzinom links 18x15cm, Verdacht auf Lymphknotenmetastase und Nebennierenmetastase, kurative Behandlung nicht mehr möglich. Wir waren fassungslos.
Aufgrund der Tumorgröße, entschieden sich die Ärzte für eine vorgezogene Strahlentherapie, um zunächst die akute Gefahr des Erstickens und des schmerzhaften Übergreifens ins Rippenfell zu bannen. In den Tagen zwischen dem Planungs-CT und der ersten Bestrahlung spitzte sich die Situation mit akuter Atemnot derart zu, dass wir alle wirklich das schlimmste befürchteten, das Gewicht war noch weiter gesunken auf 58kg.
Den Erfolg der Strahlentherapie hätte keiner für möglich gehalten, selbst der Nuklearmediziner war verblüfft. Aufgrund der günstigen Lage des Tumors, konnte mein Vater fast 40 Thoraxbestrahlungen bekommen, der Tumor verkleinerte sich auf 6cm Durchmesser.
Die Behandlung war für meinen geschwächten Pa sehr beschwerlich. Er musste jedesmal mit dem Taxi in die über 60km entfernte Strahlenklinik fahren. Er war sehr schwach, hatte keinen Appetit und nahm weiter ab. Aber schon nach den ersten Behandlungen wurde es mit der Atmung besser, mein Paps bekam endlich wieder Luft. Wir hofften und bangten mit ihm, man wusste ja nicht was der aggressive Kleinzeller während der Brustkorbbestrahlung im restlichen Körper anrichtet.
Dementsprechend nervös war ich, als ich ihn nach abgeschlossener Strahlentherapie Ende Juni in die onkologische Tagesklinik begleitete. Das Staging ergab, dass inzwischen auch auf der Leber eine Metastase saß. Mist!
Mein Vater bekam einen Port und der Onkologe entschied sich für eine Chemotherapie mit Cisplatin und Irinotecan, einmal wöchentlich in drei aufeinanderfolgenden Wochen. In der ersten Woche Cisplatin und Irinotecan, Woche zwei und drei nur Irinotecan. Dann eine Woche Pause.
Parallel dazu bekommt er mehrmals wöchentlich intravenöse Zusatzernährung, weil er nur noch 53kg wog.
Mein Vater verträgt die Chemo ausgesprochen gut. Er hat halt an den Tagen unmittelbar danach keinen rechten Appetit und ist ziemlich müde, aber sonst geht es ihm gut. Zweimal musste er wegen zu niedrigen Leukowerten eine Woche pausieren. Da hat er dann auch wieder Appetit gehabt und mächtig reingehaut. Das Gewicht ist inzwischen wieder auf 60kg angestiegen und er erholt sich zusehends.
Momentan läuft der vierte Zyklus und das Zwischenstaging nach derm 3. Zyklus hat ergeben, dass der Tumor weiter zurückgeht; der linke Lungenflügel verlagert sich langsam zurück in den Bereich, wo er vom Tumorgewebe verdrängt worden war. Und die Bauchraum-Sonographie zeigt, dass keine Metastasen mehr zu sehen sind, alles weg. Juhu, die Chemo wirkt also.
Nach fast acht Monaten Hoffen und Bangen und einer gefühlsmäßigen Achterbahn, sieht es momentan also ganz gut aus.
Wir wissen natürlich, dass man sich bei dieser Diagnose niemals sicher fühlen kann, und sich das Blatt jederzeit wenden kann. Aber im Moment freuen wir uns über die zurückgewonnene Lebensqualität, wir sind uns in der Familie nah wie nie zuvor, wir genießen die Zeit die wir zusammen verbringen und lachen auch viel miteinander. Und wer weiß, mein Vater hat uns schon so oft verblüfft mit seiner Zähigkeit und seiner Willensstärke, vielleicht hält er noch die eine oder andere Überraschung für die medizinische Fachwelt bereit.
Ohje, jetzt ist es doch ein Roman geworden, sorry. Aber es sollten ja auch Information rüberkommen, außerdem hat es gut getan alles mal loszuwerden.
Ich wünsche allen anderen Betroffenen und Angehörigen, alles Gute und viel Kraft für diesen oft beschwerlichen Weg.

Liebe Grüße Petra
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