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Alt 14.11.2005, 16:41
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Standard AW: Alltags bewältigung

Hallo Laura,

also bei den AD kommt es denke ich auf das Medikament an, wie schnell es wirkt, soweit ich weiss haben die aber alle eine gewisse Vorlaufzeit, bei meinem (Fluoxetin) hiess es die "unerwünschten" Nebenwirkungen (am häufigsten erstmal Schlafstörungen, Verstopfung und sowas) könnte man gleich bekommen, die "erwünschte" Wirkung beginnt dann nach ca. 2-4 Wochen.

Ich hatte überhaupt keine von den angegebenen Nebenwirkungen, im Gegenteil schlafe ich seitdem viel viel besser. Vermutlich, weil ich besser loslassen kann. Viele andere Probleme die ich in den letzten ca. 3 Jahren hatte haben sich auch aufgelöst, z.B. Panik- und Angstgefühle. Also mir bekommt es insgesamt gut. Bis ich mich so stabil fühlte wie jetzt hat es sicher 1/2 Jahr gedauert, die Therapie lief ja auch nebenher weiter, die habe ich jetzt allerdings gerade abgeschlossen, aber es alles OK. Es ist schwer, aber OK. Das ich so damit umgehen kann ist besser und mehr als ich je in meinem Leben konnte...

Natürlich bin ich oft traurig wegen meinem Vater. Letztens hatte ich wieder so ein Tief weil sein Haus jetzt verkauft wird und ausgeräumt wurde. D ahatte ich auch mal 2 Tage wo ich das Gefühl hatte der Sog zieht mich wieder nach unten, fühlte sich wieder (fast) wie die Depression an. Aber im Gegensatz zu damals hatte ich dann doch noch irgendwo die Kraft und den Willen da wiedre raus zu kommen. Es wurde dann wieder besser.

Deine Thera hat schon recht, dass es besser ist deine Freunde nicht zu verurteilen. Vielleicht ist es sogar vor allem für DICH besser - denn die negative Energie die Du für die Wut und Enttäuschung brauchst, die kannst Du doch eher für was anderes gebrauchen... ich habe selbst gemerkt dass ich mich besser fühle wenn ich vergeben kann. Oder wenigstens die Gedanken daran nach hinten schieben und sagen: OK mal kucken was weiter wird, im Moment ist es eben wie es ist.

Natürlich kann es auch sein, dass sich einige vermeintliche Freunde als Nieten entpuppen. Auf die kannst Du dann auch verzichten, denke ich. Vielleicht kannst Du sortieren, wer möglicherweise das Potential für Verständnis hat... vielleicht schreibst du dem/der der einen Brief, das ist leichter als es selbst auszusprechen? Ich denke es ist wertvoller nur 1 oder 2 Menschen zu haben die zu einem halten als eine "Clique" oder Bekanntenkreis die vermutlich wirklich nicht so in der Lage und Willens sind....

Was mir in den letzten 1 1/2 Jahren sehr geholfen hat, dass ich manche Dinge so annehmen kann wie sie sind, anstatt endlos damit zu hadern. "Dann ist es eben, wie es ist". Versuch ein bisschen, Deine Freunde zu verstehen. Wenn sich jemand absolut krass und taktlos verhält, dann vergiss ihn oder sie.

Deine Thera hat auch Recht, dass Du versuchen solltest den Kontakt mit der "anderen Welt" nicht zu verlieren. Ich sage bewusst: VERSUCHEN. Immer dran bleiben, an einigen Tagen wird es gehen, an anderen nicht. Dann ist das eben so. Trotzdem (und ich finde ich kann das ruhig sagen weil ich es selbst erlebt habe...) geht das andere Leben nun mal weiter, und unsere Lieben würden auch nicht wollen dass wir uns davon verabschieden.

Ich habe auch monatelang einen Drang gehabt mich NUR NOCH mit dem Thema auseinander zu setzen. Sass manchmal bei anderen mit am Tisch und konnte nix mehr sagen weil alles was ich hätte beitragen können hing DAMIT zusammen. Aber glaub mir: das wird auch wieder anders. Das ist nun mal so. Im Moment ist es bei Dir eben absolut im Vordergrund.

Wenn Du das Gefühl hast es allein nicht mehr zu schaffen, versuch es mit einem Medikament bzw. was sagt deine Thera dazu? Du bekommst es ja auch nicht einfach so.... Du gehst zum Facharzt, und DER stellt dann fest ob Dein Befinden behandlungsbedürftig ist oder nicht.

Vielleicht kannst Du all diese Gedanken nicht mit Gewalt aus Deinem Kopf bekommen. Ich konnte es nicht, wollte es irgendwie auch nicht weil es zugleich bedeutet hätte meinen Vater noch ein Stück loszulassen. es hat eben seine Zeit gebraucht. Aber ich habe mich in das ganze Thema regelrecht gestürzt, gelesen (Bücher, Internet), gelesen, traurige Musik gehört, alles was ich finden konnte.... Mein Mann meinte immer "das zieht Dich doch nur mehr runter" aber ich habe es so gesehen: da ich ja sowieso ständig daran denke, kann ich es gleich "richtig" machen, irgendwie musste ich da anscheinend so tief rein bis ich so ziemlich alles gehört und gelesen hatte. Ich kucke jetzt mit Vorliebe (immer noch) im TV Beiträge über das Thema, wovor ich mich früher ohne Ende gegruselt hätte, aber egal.... dann kuck ich eben einen Beitrag über Bestatter oder Hospize oder sonstwas. Sowas zieht mich immer noch magisch an. Gehört anscheinend zu meiner Bewältigung. Natürlich will das am nächsten Tag keiner hören, man muss auch die anderen nicht fragen "hast Du das auch gesehen"..... :-)

Aber das ist jetzt eben so. Ich kann es akzeptieren. Das ist ein mühsamer Prozess, vielleicht bin ich auf diesem Treppchen etwas weiter als Du, aber Du wirst Deinen Weg genauso weiter gehen. Ich weiss noch genau wie sich dieses Loch, dieser Abgrund an dem ich stand (ALLEIN !!!) anfühlte. Aber es geht, man kann das schaffen. Wenns nicht anders geht , dann eben mit Hilfe.

Alles Gute
Kerstin
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