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Alt 06.06.2007, 12:15
Maus_85 Maus_85 ist offline
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Standard AW: Panische Angst vor Metastasen

Hi ihr zwei!

Danke, dass ihr mir geschrieben habt. Vorhin kam ein Anruf von meinem Opa, dass er sie angerufen, sie aber sofort aufgelegt hätte, weil sie keine Kraft zum reden hat. Daraufhin hat mein Pap in der Klinik angerufen und die meinten auf seine Schilderung hin, dass mit ihr soweit alles in Ordnung wäre. Da wir das nicht ganz geglaubt haben, haben wir meine Mam angerugen und sie hat erzählt, dass die Schläuche noch drin seien, weil noch Flüssigkeit da wäre. Sie hustet jetzt auch Schleim ab und hat nur gesagt, sie könne nicht mehr und wir sollten so bald als möglich zu ihr kommen (Besuchzeit immer erst ab 13:00 Uhr)... Dabei wollte ich heut daheim bleiben und erst nachmittags zu ihr fahren, weil ich Wäsche waschen müsste und sauber machen wollte. Wenn amn mich schlagen würde, abends kann ich mich einfach nicht mehr aufraffen, großartig was zu tun. Und an den Wochenenden bin ich bei meinem Freund im Allgäu, meiner Kraftquelle, ohne die ich das alles nicht so "gut" durchstehen würde. Um deine Frage zu beantworten, Elke, ich bin erst 22, Enkelkinder müssen sich noch ein bisserl gedulden. Zudem fang ich im September erst/endlich an zu arbeiten, was momentan ein Glück ist, da ich Zeit habe. Wobei ich zugeben muss, dass ich mich dabei ertappe, neidisch auf meinen Pap zu sein, dass er ab nächster Woche wieder in die Arbeit geht. Sie wollten sie ja eigentlich Anfang bzw. Mitte nächster Woche nach Oberstaufen bringen, damit mit der Chemo angefangen werden kann. Ob das aber klappt? Ich weiß es nicht.

Ja, die Dinge, auf die sie sich noch freuen kann, hab ich ihr unlängst alle auf einen Zettel geschrieben (Titel: Meine Perspektiven), da sie sie nur allzu leicht aus den Augen verliert. Ich rede und rede und rede, schweige auch, wenn es angebracht ist, bin da für sie... und merke, dass ich bald nicht mehr kann. Seit über zwei Monaten schaue ich (bzw. wir) ihr dabei zu, wie es stet bergab geht. Erst hat sie alles, was sie gegessen hat (und wenn es nur Suppe war) wieder ausgekotzt, sich vor Schmerzen gekrümmt, dann die Diagnose, zwei Tage später in die Klinik, zwei Wochen später schon OP, in der Zwischenzeit, als sie mal ein WE daheim war, wär sie fast verhungert und verdurstet, nach der OP ein Schlag nach dem anderen... und man soll immer Gewehr bei Fuß sein, immer stark sein, immer optimistisch reden, ein Lächeln auf den Lippen haben. Der eine Arzt wirft uns vor, wir brächten sie zum Heulen und wären Schuld daran, dass sich kein großartiger Aufwärtstrend abzeichnet und ich würde diesem arroganten Halbgott am leibsten ins Gesicht springen, ihn anbrüllen und fragen, wie er an meiner Stelle reagieren würde, ob er seine Mutter so sehen möchte, nur noch Haut und Knochen, die Augen teif in den Höhlen, kein Hintern mehr, sondern Hautlappen, kaum mehr Energie, weil der Wille zwar da ist, die Kraft aber nicht. Es ist eine stete Abwärtsspirale, und die zu durchbrechen... naja. Das Wasser aus der Lunge ist weitgehend weg, allerdings zerreißt es den Bauch fast, weil die scheiß Luft ums Verrecken nicht abgeht. Nichts. Kein einziger Wind, nicht mal eine laue Brise. Kein Mittelchen hilft, alle haben den gleichen Effekt wie Wasser.

Und in diesem ganzen Chaos aus Wut, Verzwiflung, Hilflosigkeit, aber auch Hoffnung ertappe ich mich dabei, wütend zu sein, auf die Situation und auch auf meine Mam, weil ich das Gefühl habe, dass man mir emien Leben weggenommen hat. Und im gleichen Moment, da ich das denke, schäme ich mich, weil ich die Gesunde bin... Von jetzt auf gleich mit der Situation umgehen und das Bestedraus machen. Doch wie? So, wie bisher? War das gut? Ich weiß es nicht. Ich steh da wie der sprichwötliche Ochs vorm Berg. Jedes mal, wenn vormittags das Telefon klingelt, setzt mein Herz kurz aus, weil ich Angst hab, dass sie es wieder ist und fragt, wann wir denn endlich kommen, sie kann nicht mehr... Das war nämlich schon ein paar Mal der Fall...

Saumüde aufstehen, ins Bad schleppen, frühstücken, ins KH fahren, bis spät abend bleiben, saumüde ins Bett fallen, saumüde aufstehen, ins Bad schleppen..... Seit sechs Wochen so ziemlich jeden Tag. Es kommt mir momentan alles vor wie eine Endlosschleife. Und wann hört die wieder auf?


Ich freu mich auf jede Antwort!

Liebe Grüße, Nadine
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