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Alt 16.04.2004, 12:59
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Standard Weiß nicht weiter...

Liebe Susanne, liebe Jutta, lieber Joachim und auch ein liebes Hallo an alle anderen!

Ich hätte nicht gedacht, dass ihr alle noch so an mich denkt. Die letzten Tage und Wochen waren sehr schlimm für mich.

Ich wünsche mir so sehr, dass ich ihn nur noch einmal sehen kann, will ihn nur noch einmal in den Arm nehmen und mit ihm reden oder ihn nur ansehen, bei ihm sein, ihn spüren. Von schönen Erinnerungen kann man doch nicht glücklich werden.

Heute ist ein warmer Tag, das Leben geht weiter, aber meine Welt ist stehengeblieben. Sie steht still, seit dem 13. Februar um 16.30 Uhr. Ich bin da, mache meine Arbeit, treffe ab und zu Freunde, doch ich bin nicht dieselbe. Keine Spur von dem lächelnden immer lebensfrohem optimistischen Sonnenschein.

Ich würd zu gerne zu seinem Grab und auch den Schwestern auf der Palliativstation würde ich so gerne danke sagen, dass sie so unbeschreiblich liebevoll und fürsorglich waren. Doch ich kann es nicht. Ich hab das Gefühl von Tag zu Tag immer weniger mit seinem Tod fertig zu werden.

Ralfi hat mir soviel Nähe, Wärme und Geborgenheit gegeben, ich kann das gar nicht beschreiben. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart so lebendig, sein Lachen war der Lohn für alles. Immer mehr lebe ich in meiner Scheinwelt, immer mehr verdränge ich die Gegenwart. Die Menschen um mich herum, sind erleichtert und froh, weil sie denken, ich fange an, mit Ralfis Tod leben zu lernen, aber das ist nur Fassade und ich kann einfach nicht darüber sprechen. Ich erzähle doch immer nur dasselbe...

...dass ich ihn so liebe...
...und das nicht ertragen kann...

Ich habe Ostern mit der Familie verbracht, es war eine verrückt ausgeglichene Stimmung... Aber war sie das wirklich? Ich habe ein Foto geschenkt bekommen, auf dem ich auf dem Schoss von meinem Bruder sitze und wir uns knuddeln. Ich kann das Gefühl an dem Abend als das Foto entstand noch so spüren. Er war so traurig an dem Abend, ich hab ihn festgehalten, hab ihm ins Ohr geflüstert, dass ich ihn lieb hab. Das war zu Weihnachten vor drei Jahren. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich uns vor mir sitzen, wie ich ihn festhalte. Nur noch einmal möchte ich ihn so drücken, wie an diesem Abend! Ein einziges Mal. Meine Sehnsucht ist so groß.

Ich bin auch wütend. Wütend auf Gott - sofern es ihn gibt. Warum nur hat er das getan? Warum will er so liebe Menschen so schnell bei sich haben? Warum ist er so egoistisch? Warum hat er mir meinen größten Schatz genommen? Warum durfte mein Bruder nicht viel länger glücklich sein? Warum tut er sowas?

Ich kann es immernoch nicht fassen. Es zerreißt mir das Herz, dass ich ihm nicht irgendwie helfen konnte.

Ich bin ein Mensch, der sich immer mit dem Gedanken über schlechte Zeiten hinweggeholfen hat, dass ich daran glaube, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt und dass jeder gute Mensch den Lohn für seine Großzügigkeit, Liebe und Güte erhält.

Aber das stimmt nicht und das macht mir große Angst! Ich dachte immer, es gibt eine gerechte Welt. Vielleicht habe ich zuviel geträumt und die Augen verschlossen.

Ich danke Euch allen so sehr, dass ihr da seit. Hier ist der einzige Ort, wo ich meine Gedanken rauslassen kann! Vielen Dank und ganz liebe Grüße an Alle!

Steffi
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