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Alt 01.11.2006, 21:53
elkeklein elkeklein ist offline
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Standard AW: Suche Personen, die schon über Jahre ohne Magen leben!

Hallo Silvia,

ich hatte ja versprochen, mich noch mal zu melden.
Es war und ist bei mir ja so, dass ich kaum noch über „die Geschichte“ spreche, weil es auch gerade zu dieser Zeit passiert ist, aber so hin und wieder überkommt es mich doch noch mal und ich bin froh, wenn mir jemand zuhört.

Ich habe auch noch eine Menge Fragen an dich. Zum Beispiel, wie dein Umfeld mit deiner Krankheit umgegangen ist. Hast du dich auch verändert und bist vielleicht etwas egoistischer geworden? Sind deine Freunde oder deine Bekannten auf dich eingegangen oder haben sie dich behandelt, als wenn nichts gewesen wäre?

Ich finde es schade, dass sich bisher, außer dir, niemand gemeldet hat. Es kann doch nicht sein, dass es niemanden gibt, der auch länger ohne Magen lebt. Aber gut, warten wir ab! Vielleicht tut sich ja noch was.

Ja, ich sage immer, dass ich einem Lkw-Fahrer mein Leben verdanke.
Ich hatte ja schon gesagt, dass ich ein Magengeschwür hatte und nicht zum Arzt gegangen bin, weil ich keine Zeit hatte bzw. auch weiter keine großartigen Beschwerden hatte. Wenn ich heute daran zurück denke, hat der Körper schon einige Signale gesendet, die ich aber nicht ernst genommen habe. Zum Beispiel das mit den Augen! Es waren aber noch einige Signale mehr!!

Ich war damals bei einem Zeitungsverlag beschäftigt und musste von Essen nach Oberhausen über die Autobahn fahren. Es war schon spät, dunkel und regnerisch. Ich konnte schlecht sehen und fuhr eine Geschwindigkeit von etwa 80 km/h. Es fuhr kaum ein Auto zu der Zeit auf der Autobahn. Plötzlich erschien hinter mir so ein 30-Tonner-Diesel, fuhr ganz nah auf und betätigte ständig seine Lichthupe. Ich habe gedacht „Was will der blöde Kerl denn hinter mir da, fahr doch vorbei“. Wie gesagt, die Bahn war völlig frei, aber er hatte wahrscheinlich Langeweile und wollte mich ein wenig provozieren. Das war so etwa 12 km lang der Fall.
Ich habe mich dann entschlossen, eine Abfahrt vorher abzufahren und da ja weit und breit kein anderes Auto zu sehen war, fuhr ich ganz langsam in die Ausfahrt, und habe gedacht, dass ich mir dann von dem dann vorbeifahrenden Lkw die Autonummer merken konnte. Von wegen! Der Typ fuhr so langsam weiter, dass ich eher aus dem Blickfeld war, bevor ich das Nummernschild sehen konnte.

Ja gut, als ich dann zu Hause angekommen bin, war ich erst mal völlig fertig. Dann bekam ich Magenschmerzen, wie ich sie in dem ganzen Jahr noch nicht gehabt habe. Das war der Anlass, dass ich dann doch meinen Arzt aufsuchte. Der sagte mir dann nach dem Röntgen, dass ich ein bohnengroßes Magengeschwür hätte. Als ich ihm dann entgegnete, dass er ein Jahr vorher ein erbsengroßes Magengeschwür diagnostiziert habe, ging die Post ab. Ich habe erst mal eine Standpauke bekommen, warum ich nach sechs Wochen nicht in die Praxis gekommen wäre usw. usw. Das war dann an einem Montag, am darauf folgenden Donnerstag hatte ich die Magenspiegelung, wobei eigentlich nichts Auffälliges festgestellt werden konnte. Erst am darauf folgenden Montag rief eine Angestellte der Praxis an, dass ich sofort zum Arzt kommen sollte.

Als ich dann da war und er es mir erklärte, habe ich nur seinen „Adamsapfel“ rauf und runter gehen sehen. Ich hatte überhaupt keinen anderen Blick mehr und ich weiß auch gar nicht, ob ich das alles so richtig verstanden habe. So richtig erklärt und vom Kopf her aufgenommen habe ich das erst in der Kur. Ich musste also sofort meine Tasche packen, da ich stündlich mit der Einweisung ins Krankenhaus rechnen konnte.

Ich habe dann mittwochs den Bescheid bekommen, dass ich Freitag ins Krankenhaus kommen sollte. Man hat mich dann in ein Zwei-Bett-Zimmer gelegt, in dem eine Patientin lag, die auch schon über 10 Jahre ohne Magen lebte. Das war ja psychologisch sehr gut eingestielt. Die Dame war allerdings noch nach der alten Methode operiert, also nur denn Dünndarm hochgezogen – der so genannte Sturzmagen. Aber sie hat mich ganz schön aufgebaut, das war sehr wichtig damals für mich. Ich lag dann das ganze Wochenende über dort, ohne das was gemacht worden ist. Ich sollte dann montags operiert werden, aber am Sonntagabend wurde mir dann gesagt, dass der Professor einen anderen Termin wahrnehmen musste und dass die OP auf Dienstag verschoben werden sollte.

Das ist dann auch alles so gelaufen und von Diagnose bis OP ist dann etwa eine Woche vergangen. Das ging alles im Eiltempo. Ja, dann war ich eine Woche auf der Intensivstation und als ich dann wieder auf die normale Station kam, war ich eigentlich schon recht fit und konnte mich alleine bewegen. Hatte wohl die Angst „Ist es schon weiter fortgeschritten oder nicht“? Allerdings hatte mir die Stationsschwester, mit der ich mich sehr gut verstanden habe, schon so Bemerkungen gemacht wie „Das sieht ja bei Ihnen sehr gut aus!“ Aber irgendwie glauben konnte ich das auch nicht so recht. Ich hatte dann auch eine schlechte Zeit, weil ich nicht wusste, woran ich war. Als dann zwei Tage später die Visite war, hat der Arzt mich gefragt, wie es mir gehe. Ich habe gesagt, dass es mir soweit gut geht, aber dass meine Seele ein bisschen angegriffen sei. Dann hat er gelacht und gesagt, dass wirklich kein Grund dazu bestehe und dass ich ein Glückspilz sei und ein neues Leben anfangen könne. Dass alles aus dem Guten entfernt worden ist, keine Lymphknoten befallen waren und es nur noch von mir abhängt, wie alles weiter geht. Dann habe ich ihn gefragt, ob ich auch alles wieder essen könnte, ob ich auch ein Kotelett essen könnte. Warum ich das gefragt habe, wusste ich selber nicht. Ich esse überhaupt nicht gerne Kotelett. Aber vielleicht war es einfach nur, um was zu hören. Tja, dann habe ich erst mal geheult und alle meine Freunde und Bekannten angerufen, die mich dann auch zahlreich besucht haben.

Als ich dann nach drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wusste ich schon, dass ich nur eine Woche zu Hause sein sollte. Eine Kur in Bad Mergentheim in der Kurklinik Dr. Vötisch war angesagt. Es war mir natürlich recht, denn ich war schon noch ziemlich schlapp, aber ich hatte damals eine 7jährige Tochter, die mich auch noch brauchte. Sie wurde nämlich jedes Mal, wenn ich außer Gefecht gesetzt war, ziemlich schlecht in der Schule und die Lehrerin hat noch nicht einmal nach dem Grund gefragt. Aber ich möchte diesen Punkt jetzt nicht vertiefen, habe mich damals darüber genug aufgeregt.
Zum Glück hat meine liebe Familie mich sehr unterstützt.

Die Kur hat mir allerdings sehr gut getan. Wie gesagt, dort wurde ich auch über meine Krankheit aufgeklärt. Ich hatte eine gute Zeit dort und habe mich auch sehr gut erholt. An Heiligabend bin ich dann wieder zurück nach Hause gekommen. Es war so das schlimmste Weihnachtsfest, das ich im meinem Leben erlebt habe.

Aber wie man sieht, die Sorgen waren alle umsonst!

So, jetzt muss ich bei diesem Regenwetter mal schnell mit meinem Hund raus.

Liebe Grüße
Elke
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