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Alt 12.10.2011, 06:57
Herrmann Herrmann ist offline
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Standard AW: Malignes Melanom, BRAF

Hallo Lebensdurst,

Das maligne Melanom ist Scheisse - keine Frage. Kann dich gut verstehen. Ich bin 44 - auch unglücklich mit der Diagnose und stelle mir vor, dass sie mich mit 25 wohl noch härter getroffen hätte.

Ich habe die Diagnose (malignes Melanom - Phase IV - bin sozusagen ein "Metatstasi") seit ca. 1 Monat und in dieser Zeit viel zum Thema gelesen (leider nicht viel erbauliches) und versucht, mich an die "neuen Lebensumstände" zu gewöhnen - ich glaube es ging. Zudem habe ich "glücklicherweise" (wenn man dem so sagen will) auch die BRAF Mutation und kann nun Pillen nehmen (seit ca. 14 Tagen).

Vor den Pillen wuchsen die Metastasen zeitweise fast täglich oder wöchentlich neu wie "Pilze aus dem Boden". Was mich sehr beunruhigte (da ich mir ohne Diagnose diese Wucherei nicht erklären konnte). Die Metastasen, welche direkt unter der Haut waren konnte ich so immer gut ertasten. Die waren verschieden gross. Die grösste am Oberschenkel hatte ca. die Grösse einer Pflaume. Die anderen - tiefer im Körper (auf dem PET-CT sehe ich aus wie ein Dalmatiner) - konnte ich nicht erfühlen. Sie drückten z. T. aber wohl auf Nerven und generierten so Schmerzen (Lunge, Magennähe, Leber und Bein).

Schliesslich kam es nach ca. 2 Monaten von Arztvisiten zur Biopsie mit Histologie in der Pathologie. Zwei Proben (Zunge und Bauchwand) beide mit dem Befund "Metastasen des malignen Melanoms" wurden entnommen . Der Primarius (Tumorherd) wurde nirgends gefunden (vom Dermatologen und Augenarzt). Mit den Biopsien wurde 14 Tage später auch die BRAF Mutation diagnostiziert und umgehend (plötzlich ging es schnell) eine Pillenkur (Teilnahme an einer Studie) initiert. Ich nehme nun immer morgens und abends um 7 - also alle 12 Stunden - 4 (4x120mg) solcher Pillen (Vemurafenib http://en.wikipedia.org/wiki/PLX4032).

Zu den Erfahrungen mit den Pillen:
Bereits 3-4 Tage nach Anfang der Pillenkur "glaubte" ich einen Rückgang der Metastasengrösse zu vermerken - mindestens die Schmerzen waren weg, was meinen Glauben bestärkte. Nun nach ca. 14 Tagen in der "Kur" denke ich, dass ich sicher bin. Aus dem vermuteten Rückgang ist Klarheit geworden. Die einstige Pflaume würde ich nicht mehr finden, wenn ich nicht wüsste, wo sie gewesen ist. Aus der Pflaume (angenommen in einer Tüte verpackt) ist eine "leere Tüte" (knapp fühlbar) übrig geblieben. Die "Pflaume" darin ist einfach nicht mehr da. Auch alle anderen kleineren Metastasen sind entweder zu weit unter der Haut - so dass sie nun nicht mehr ertastbar sind - oder sie sind auch einfach sehr klein (80-90% Rückgang) geworden.

Alles in allem bin ich sehr überrascht von der Wirkung dieser Pillen. Fast ein wenig wie "Zauberei" (verschwinden doch einfach bestimmte Teile meines Körpers - wohin denn bloss?). Also mich freut dieser "Hokuspokus" enorm. Nicht zuletzt weil ich deshalb nun Schmerzmittelfrei bin und nun glaube das ich ev. noch ein Jahr "geschenkt" bekomme - damit hat man ja gleich nach der Diagnose nicht unbedingt gerechnet.

Wo die Reise hingeht, weiss ich jedoch nicht und konnte es bislang (kaum Langzeiterfahrungen auffindbar) nicht in Erfahrung bringen. Ich habe auch keine Ahnung was mit all dem "Inhalt" der Metastasen passiert ist. Ich denke, wenn ich die Bilder des PET-CT so einschätze (ca. 20-30 kleinere und grössere Metastasen über den ganzen Körper verteilt), habe ich sicher ca. 0.5 Liter Metastasenvolumen verloren. Wohin das alles ging? Keine Ahnung. Vielleicht habe ich die "Scheisse" einfach übers Siphon entsorgt? Schön wärs. Vielleicht hat hier ja wer einen Plan dazu. Ich werde in ca. 14 Tagen meinen Onkologen noch fragen und ggf. darüber berichten, falls der was weiss - auch zum weiteren Plan in meinem Fall.

Nebenwirkungen gibt es übrigens auch: Ich habe gelegentlich Gelenkschmerzen die kommen und gehen, bin z. T. sehr müde, schlafe unregelmässig und wache viel auf, träume sehr viel, habe einen ca. 10-20 Prozent höheren Puls als vorher (nun so um die 75), einige wenige "mückenstichartige" Pickel kommen und gehen auf der Haut und bin vom Schönwetterliebhaber zum Geniesser des Hochnebels geworden, weil ich einfach die Sonne schlecht vertrage. Arbeiten tu ich auch noch - super Ablenkung - aber sehr unregelmässig. Das geht aber, da ich Freiberufler bin.

So - viel Text und das wars momentan zu meinen Erfahrungen mit der Pillenkur. Ich schreibe gerne wieder dazu, wenn ich mehr weiss (z. Bsp. wo im Universum mein Metastasenvolumen hingekommen sein könnte :-) ). Vielleicht hast du ja mittlerweile auch mit den Pillen begonnen...

Lebensdurst - ich wünsche dir viel Glück und sende dir liebe Grüsse
Herrmann

PS (erheiterndes nebenbei):
Meine Rechtschreibeprüfung im Browser (Firefox) markiert das Wort "Metastasen" als falsch (rot unterstrichen).
Vorgeschlagen wird:
Metermassen, Ekstasen, Betasten und Getasteten.
Ich muss sagen - finde ich auch - machen wir doch aus der Rechtschreibekorrektur eine Lebenskorrektur!

Geändert von Herrmann (12.10.2011 um 09:02 Uhr)