Einzelnen Beitrag anzeigen
  #45  
Alt 12.04.2006, 00:11
Elly Elly ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 30.03.2006
Beiträge: 1
Standard AW: Gemeinsame/einsame Wege bei Krankheit

Hallo Seelenverwandte,

lange habe ich nicht in das Forum geschaut.
Es war einfach zu schmerzhaft zu sehen, wie immer mehr lieb gewordene Menschen es nicht geschafft haben.

Zu meiner/unserer Geschichte:

Im Februar 2005 wurde bei meinem Mann Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert.
Unsere ganze Hoffnung setzten wir in eine OP. Aber leider waren schon zu viele Metastasen vorhanden, so dass die Whipple-OP nicht durchgeführt werden konnte.
Auch eine Chemotherapie war erfolglos gegen diesen Krebs.
Mein Mann verstarb im Juni 2005 im Alter von 55 Jahren.

In den 5 Monaten der Krankheit sind wir alle Wege der Krankheit, des Hoffens und Bangens gemeinsam gegangen, unsere beiden Kinder immer mit dabei.
Ich hatte das Glück, bis zur letzten Minute bei meinem Mann sein zu können. Wir konnten uns voneinander verabschieden. Das betrachte ich als das größte Geschenk Gottes. Mein Mann war nicht allein und das ist trotz des großen Verlustschmerzes ein Trost und ein Halt für das "Weiterleben".

Zur Trauer:

Kurz, es geht mir ganz genau wie Euch.
Freunde und Verwandte standen uns lieb und hilfreich zur Seite. Es hat uns alle zusammengeschweißt.
Doch die eigentliche Traurigkeit kann sicher nur ein Betroffener nachempfinden.
Das "Thema" wird kaum noch erwähnt, weil es ja schon eine Weile vorbei ist und die meisten nicht verletzten wollen, indem sie es wieder erwähnen.
Bin manchmal richtig traurig und auch wütend geworden, wenn immer wieder Sätze, wie:"Denk an Deine Kinder...", "Das Leben geht doch weiter, Du musst jetzt an Dich denken...", Versuch doch, nicht immer daran zu denken..." und noch ähliches...
Jetzt bin ich versöhnlicher gestimmt, weil ich einfach nicht von anderen verlangen kann, sich in meine Gefühlswelt hineinzuversetzen. Es kam mir aber ganz automatisch aus der Seele, dass sich doch alle Welt nach meinem Mann erkundigen müsste und auch danach, wie es mir geht. Mit seiner Trauer ist man allein und das ist auch gut so.
Trost finde ich bei genau den Gedichten und Geschichten, die Ihr aufgeschrieben habt. E. Kübler-Ross war sehr hilfreich zum Verstehen der Gedanken und Gefühle von Sterbenden.
Besonders aber ist mir Dietrich Bonhoeffer ein wichtiger Trauerbegleiter.
Seine Gedanken und besonders auch "Von guten Mächten..." trösten und spenden Hoffnung. "Von guten Mächten" war auch der Abschiedsspruch, den unser Pfarrer am Grab gesprochen hat.

Da während der Zeit der Krankheit meines Mannes auch noch meine Mutter Ende April 2005 verstarb und im November 2005 noch meine Schwiegermutter, sah ich mich am Ende meiner Kräfte. Plötzlich waren alle Menschen, die noch ein Bindeglied in die Vergangenheit darstellten, nicht mehr da. Auch da hat mir ein Gedicht von D. Bonhoeffer so sehr geholfen, nicht zu verzweifeln:

Ich glaube

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er
Menschen, die sich alles zum Besten dienen lassen.

Ich glaube,
das Gott uns
in jeder Notlage
soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.

Aber er gibt sie nicht im voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.

In solchem Glauben müsste
alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht
vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen
fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass
er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Dietrich Bonhoeffer


Im Moment erlebe ich meine Trauer sehr intensiv. Tagsüber bin ich an der Arbeit abgelenkt, muss mich konzentrieren.
Doch oft kommt die Traurigkeit anfallartig. Kann gar nichts dagegen machen und will es auch nicht. Die Gefühle muss ich spüren, um sie verarbeiten zu können. Das habe ich jetzt begriffen.

Wie Ihr auch, gehe ich alte Wege nun allein und nur so kann ich Ruhe finden.
Viele Freunde raten mir davon ab, mich wieder bewusst in diese schmerzlichen Erinnerungen zu stürzen.
Für mich sind sie ein sehr wichtiger Bestandteil meiner Trauer geworden und nur so bin ich in der Lage, Schritt für Schritt die Gedanken zu ordnen.

Es ist so wohltuend, Eure Beiträge zu lesen.
Besonders die Worte von Dir, "shalom" , haben mir geholfen, indem Du schreibst, dass wir das Produkt unserer Gedanken sind.
Wenn wir es wollen, können wir unsere Gedanken beeinflussen. Daran glaube ich auch. Es fällt sehr schwer, sich nicht gehen zu lassen.
Dankbarkeit, dass wir den Partner (32 Jahre Ehe) bei uns haben durften, ist das Ziel, das die Traurigkeit mildern oder sogar besiegen soll.
Nicht zusammen alt werden zu können, ist sehr schmerzhaft. Aber es ist eben Gottes Bestimmung gewesen. Mit Gottes Hilfe wird es auch weitergehen. Darauf vertraue ich bei all der Traurigkeit im Herzen.

Euch allen herzlichen Dank für Eure Worte. Viel Kraft!

Elly

Geändert von Elly (12.04.2006 um 00:14 Uhr)
Mit Zitat antworten