Einzelnen Beitrag anzeigen
  #45  
Alt 10.08.2002, 22:02
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard die letzten Stunden

Hallo liebe Petra C!
Ich habe erst heute Deine letzte Nachricht vom 01.08.2002 gelesen und der letzte Satz hat mich etwas berührt (keine Lügen).
Ich bin der Meinung, dass man es auf jeden einzelnen Fall und für jeden einzelnen Menschen selbst ausrichten muss, ob man ihnen die Wahrheit über ihre verbleibende Zeit sagt oder nicht.
Eigentlich hatte ich mit meiner Freundin, die mit 18 Jahren ihren Vater an Krebs verloren hat, darüber gesprochen, dass ein jeder Mensch das Recht haben müsste zu wissen, wie es um ihn steht. Leider erfuhr ihr Vater damals erst hinterher von den Ärzten (!), dass seine Angehörigen es schon länger wussten und er machte ihnen Vorwürfe (... wie könnt ihr mir das nur verheimlichen???). Darüber habe ich oft mit ihr gesprochen.
Als mein Vater nun vor einem 1/4 Jahr die Nachricht erhielt, er habe Krebs, dachte ich auch daran, ganz ehrlich damit umzugehen. Aber mein Vater war so geknickt und hat sich auch gar nicht weiter beraten lassen bzw. sich irgendwo anders informiert über seine Krankheit. Er hat sich voll und ganz auf die Ärzte verlassen, die ihn von Anfang an behandelt haben. Jedesmal wenn ich sagte, lass uns mal woanders hingehen, wurde er richtig grandig. Er wollte absolut nicht noch von Arzt zu Arzt rennen, weil er den Ärzten im KH vertraute.
Als wir es gut eine Woche, bevor er starb, von dem Arzt erfuhren, dass es keine Monate mehr dauern kann, war es für uns überhaupt kein Thema mehr, es ihm zu sagen. Er sollte einfach noch ein bisschen Hoffnung haben. Die hatte er auch noch bis zum Schluss. Ich weiß nun wirklich nicht, wie er diese schwere Nachricht verkraftet hätte. Meine Mutter und meine Geschwister sind heute froh darüber, dass wir ihm die Wahrheit nicht gesagt haben. Obwohl er ein paar Tage vorher noch Angst hatte zu sterben, hatten wir doch in diesem Moment (wir waren total unvorbereitet) keine Gelegenheit, mit ihm darüber zu reden. Wir hätten es ihm nicht so direkt gesagt, aber ich hätte ihm wahrscheinlich nur meine Angst, dass es soweit kommen könnte, mitgeteilt.
Wir sind uns heute - 2 Wochen nach seinem Tod - absolut im Klaren darüber, dass wir richtig gehandelt haben, weil er auch nach einem unruhigen Tag nachts einfach friedlich und ruhig einschlafen durfte. Meine Mutter lag auch neben ihm und hat nichts mitbekommen. Er lag noch so da, wie wir ihn hingelegt hatten (er war auch sehr schwach). Somit sind wir uns auch sicher, dass er auch ohne Schmerzen einfach eingeschlafen ist. Dieser Gedanke gibt uns so viel Trost.
Deshalb sage ich nochmal: Man sollte nicht jedem Menschen die Wahrheit über seinen Zustand sagen! Nicht jeder Betroffene kann damit umgehen!
Gruß, Bibi
Mit Zitat antworten