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Alt 30.08.2004, 14:11
Gast
 
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Standard Chemo und Unvernunft

Hallo Tanja,

das bringt uns ja auch zur allgemeinen Fragestellung zurück: "Chemo und Unvernunft". Vielleicht kann man es ja noch mehr verallgemeinern und loslösen vom Autofahren, dann kommt man auf "Krebserkrankung und Unvernunft".

Als Betroffener merkt man schon nach kurzer Zeit, daß das Umfeld (Angehörige und auch Bekannte im weiteren Sinne) sehr sensibel auf Lebensumstände und Verhaltensweisen reagiert und diese zum Teil ändern möchte.

Typisches Beispiel: Kurz nach dem Abschluss der Strahlentherapie gehe ich über den Flur meiner Dienststelle um meinen Chef über meinen in Kürze erfolgenden Dienstantritt zu unterrichten, da treffe ich einen Kollegen. Kurzer Austausch von Floskeln und die Frage an mich: "Habe Dich lange nicht gesehen, wo hast Du denn gesteckt?". Da ich offen mit meiner Erkrankung umgehe, habe ich kurz berichtet und mir nebenbei eine Zigarette gedreht. Auf meinen Aussage "Ich hatte Krebs", reagierte der Kollege entsetzt: "Und dann rauchst Du noch? - Damit hörst Du jetzt aber auf, Ja?" ... Er fragte gar nicht, welchen Tumor ich hatte, ob dieser durch Rauchen begünstigt wurde etc. . Er reagiert gleich mit einem Vorschlag, wie ich mich ändern sollte ....

Selbst heute noch spüre ich eine gesteigerte Besorgniss. Donnerstag Abend habe ich zwei 10-Liter Eimer Mirabellen gepflückt und meinen Eltern ins Haus getragen. Schon kam Mutter angesaust: "Junge, Du sollst doch nicht so schwer heben!" :-)

Natürlich macht mich diese Sorge zum einen Stolz, zeigt sie mir doch, daß sich Menschen um mich sorgen. "Um mich sorgen" heißt ja auch, daß sie mich für wertvoll halten, daß ich Ihnen wichtig bin.

Aber dieses umsorgen kann aber auch zur Last werden und es kann durchaus sein, daß man genervt reagiert und verbal um sich beißt. Schließlich bin ich ein selbstständiges Wesen und kann trotz Krebserkrankung immer noch entscheiden, was ich möchte und was nicht.

Schließlich habe ich ja auch gerade in einem mühseligen Prozess für mich klar bekommen, daß niemand weiß, warum ich Krebs bekommen habe und mich daran keine Schuld trifft. Und wenn ich dann von meiner Umwelt mit Verhaltensmassregeln überzogen werden, suggeriert dies doch, daß meine Umwelt dies anders sieht und eine Schuld bei mir vermutet.

Das war jetzt ein kurzer Einblick in meine Gedanken zum Thema "Krebskranke und Unvernunft".

Gruß Dirk
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