Einzelnen Beitrag anzeigen
  #66  
Alt 04.02.2009, 07:23
Anastra Anastra ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.12.2008
Beiträge: 76
Standard AW: Kleinzelliger Bronchialkrebs mit vielen Metastasen

Guten Morgen zusammen

Eigentlich wollte ich mir gestern "frei" nehmen von Papa, aber nachdem ich hier gesessen und von Bibi's Mama gelesen habe mußte ich mich ganz schnell anziehen und zu meinem Vater fahren. Irgendwie hatte ich ein ganz dringendes Bedürfnis ihn zu sehen.
Und es war gut dass ich gefahren bin. Gestern war so ein guter Tag. Papa ging es - natürlich soweit es dieses Biest in ihm zulässt - ganz gut. Das schönste an dem Tag gestern waren aber die Gespräche. Innige Gespräche. Das was ich die ganze Zeit wollte, wofür aber noch nicht die Zeit da war. Solche Gespräche kann man nicht erzwingen, sie haben ihre Zeit.
Gespräche über die Krankheit Krebs, über den Tod und den Weg dorthin, Pflege, Pflegedienste, Hospitz, Patientenverfügung und Beerdigung. Schrecklich. Aber doch tut es gut das alles aussprechen zu können. Auch es zu ertragen wenn Papa erzählt wie er es gerne haben möchte. Ich habe nicht geweint. Darüber war ich sehr froh. Die Zeit zum gemeinsamen Weinen wird auch noch kommen.

Papa möchte anonym beerdigt werden. Das hat er immer schon gesagt und es ist in Ordnung für mich. Weil ich keinen Ort brauche, den ich aufsuche zum Trauern. Seine Seele bleibt eh nicht hier. Nur seine Hülle. So ist zumindest meine Aufassung des Todes. Ich werde mir bei mir zu Hause eine kleine Gedenkstätte einrichten. Mit einem Bild und einer Kerze. Er wird mir dann nicht ferner sein, als auf dem Friedhof. Ich habe ihm noch den Gedanken "Friedwald" ins Gedächtnis gerufen. Vielleicht wäre das eine Alternative für ihn. Aber ER entscheidet. Wie meine Mutter das ganze sieht weiß ich nicht. Da konnte ich mit ihr nicht drüber reden.

Papa hat gestern nochmal gesagt, dass er nicht mit der Chemo angefangen hätte, wenn er uns nicht hätte. Er liebt uns so sehr, dass er sich nicht aufgeben will und kämpfen will. Er weiß dass wir ihn nicht unterstützen können, aber ich werde ihm meine Hand zu reichen, wann immer er sie braucht. Und wenn er nicht mehr Kämpfen möchte werde ich ihn bis zur Pforte begleiten, aber da muß ich ihn dann gehen lassen. Er macht sich Gedanken, wie lange er Pause hat nach der 6. Chemo. Wie lange ihn dieser Mistkerl in Ruhe lassen wird. Und was wenn alles wieder von vorne anfängt?? Er weiß nicht wie lange er das durchhält. Aber auch da habe ich ihm wieder klar gemacht dass er entscheidet. Er weiß wie sehr sich auch mein Leben verändert hat und er ist so dankbar dass ich an seiner Seite bin. Nochmal habe ich versichert dass ich immer da sein werde, wenn er mich braucht, aber auch wenn er mich einfach nur sehen möchte. Dass er mich anrufen kann, wann immer er meine Stimme hören will. Auch habe ich ihm gesagt dass ich stark bin und aushalten kann was immer ihn bedrückt, dass er alles sagen kann und er auf mich keine Rücksicht nehmen braucht.

Oh man ich schreibe viel zu viel, aber sovieles was im Moment in meinem Kopf rumkreist. Die ganze Nacht schon beim Arbeiten. Ich hoffe dass ich nun gleich schlafen kann, irgendwie bin ich sehr aufgewühlt seit dem Gespräch.

Ich wünsche euch allen einen schönen Tag
Liebe Grüße Anastra
__________________
Mein Daddy: endgültige Diagnose am 24.12.2008 kleinzelliges Bronchialkarzinom mit Metas in Leber, Knochen, Lunge und Lymphknoten.
12.08.2009 - Jetzt hat der Himmel einen Engel mehr
Mit Zitat antworten