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Alt 29.01.2009, 11:00
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Bianca-Alexandra Bianca-Alexandra ist offline
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Registriert seit: 15.02.2008
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Standard AW: Kleinzelliger Bronchialkrebs mit vielen Metastasen

Liebe Anastra,

ich habe meinen Vater verloren als ich 15 war. Deshalb kenne ich solche Vergleiche, die auch mich damals schon fertig gemacht haben. Man zieht oft den Vergleich dass es als Kind normal ist, irgendwann die Eltern zu verlieren. Ich erinnere mich gut wie mein schmerz damals war und auch wie er heute ist wo ich meine Ma "hergeben" muss. Ich wohne ja die letzten drei Wochen bei meiner Ma und ihrem partner. und ja, es ist anders. ich wage mich nicht zu beurteilen ob schlimmer, ich denke das hängt davon ab, wie der Ableger ( so nennt meine ma mich immer ) damit umgeht - udn wie der partner. aber ichsehe hier 24 stunden intensiv wie es für ihren mann ist damit umzugehen und welche ängste er vor der zukunft hat. und ich muss ehrlich sagen, was das angeht, da haben wir kinder es schon manches mal leichter. ich nehme mir platzhalter für die namen, bei meiner mutter ihren namen den sie hier im forum benutzt haben.

er geht zum bett und sagt: "die letzten zehn jahre habe ich hier nur (ich glaube) 5 nächte alleine geschlafen als "Rapunzel" im Krankenhaus war." er stellt das feuchtfutter für die katzen zusammen und macht es genauso, wie meine mutter es immer wollte. er geht in die wohnung als meine ma im krankenhaus war, stellt sachen zusammen, weint dabei und sagt "alles hier ist "rapunzel"". es ist anders. ganz anders. denn auch wenn wir tieftraurig sind, wir haben die möglichkeit uns an einen ort zurückzuziehen - während der krankheit und auch danach - der nicht 24 stunden in jedem staubkorn den lebenspartner wiederspiegelt. der vergleich, den deine familie gebracht hat, der ist zweifelsohne zum kotzen. ich weiß wie ich damals fühlte und ich weiß, wie ich mich selbst heute mit 31 fühle während ich meine mutter so intensiv begleite.

aber dennoch sind wir es inzwischen gewohnt, einen teil ohne die eltern zu verbringen, zu entscheiden. neben uns die hälfte im bett wird nicht leer sein, das deo im bad nicht ungenutzt... es ist anders. und manchmal glaube ich schlimmer. udn ich leide wie ein tier, das kannst du mir glauben. aber jetzt, wo ich hier in ihrem haus wohne - obwohl ich meine eigene wohnung natürlich behalten habe - da wird mir bewusst, dass es sogar schmerzen kann den mülleimer zu öffnen, einfach weil sie immer wert darauf legte den biomüll mit papier abzudecken. auch jetzt, wo sie manches nicht mehr mitbekommt wird darauf geachtet, dass die katzen zur bestimmten uhrzeit alle drin sind und die tür nach draußen verschlossen wird. die zeit während der krankheit mag sich gleichen, aber zweifelsohne ist der verlust etwas ganz anderes. auch ist es für uns schwer zu ertragen zu sehen wie die mutter oder der vater immer unselbständiger werden. aber sie sind älter als wir und auch wenn dieser prozess schneller geht als es normal wäre, so ist die tatsache an sich immer die gleiche. für den partner aber wird ein gleichgestellter unselbständig.

wenn ich mich so lese und das hier vor 4 monaten gelesen hätte, vielleicht hätte es mir geholfen anders zu denken. mehr verständnis zu haben. fakt ist, ich hatte es nicht. und genau deshalb verstehe ich, wie allein gelassen du dich mit deinen ängsten fühlst. ich habe bis vor einem halben jahr auch sehr vieles allein organisiert. und so allein gelassen ich mich manchmal damit fühlte, so gut tat es auch, etwas TUN zu können. zu helfen. mein bestes zu geben. die parts sind unterschiedlich verteilt und ändern sich zwischendurch. jetzt, wo ich manchesmal durch hänge fängt ihr partner mich auf. wenn er nicht kann bemühe ich mich nach leibeskräften.

kommunziere deine ängste und deine sorgen. versuch es ohne vorwurf. vielleicht möchten deine eltern dich einfach nur beschützen, ich bin sogar sicher dass es so ist. durch die erfahrung mit meinem vater sind meine mutter und ich die situation von vornherein ganz anders angegangen udn ich war beim großteil der untersuchungen und gespräche dabei. aber ich weiß von vielen betroffenen hier, wie sehr sie den wunsch haben die kinder zu beschützen. das ist kein ausschließen. es ist der gleiche reflex, der mütter kleinen kindern die augen zuhalten lässt wenn eine schlimme szene im fernsehen kommt.

sie möchten zeigen dass sie stark sind und ihr kind nicht mit sorgen belasten. dass sie das nicht können - weder das eine noch das andere - werden sie wahrscheinlich so lange es geht nicht sehen wollen.

ich denke, du solltest deine gefühle zuhause zeigen. meine mutter dachte manchmal ich wäre schon mit allem durch als ich solange bemüht war, vor ihr nicht zu weinen um ihr stärke zu geben und sie wissen zu lassen, dass sie mit mir über alles reden kann und ich das vertrage.

rückblickend ist das zwiespältig. denn so konnte ich vieles für sie erkunden über das sie nur mit mir sprach weil sie dachte "bianca kommt damit zurecht". auf der anderen seite habe ich mir aber so sehr gewünscht, einfach mal kind sein zu können und zu weinen. mich von meinen eltern trösten zu lassen. die möglichkeit gab es jederzeit. aber ich habe sie mir mit viel grübelei vermacht.
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Liebe Grüße - Bibi
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Dankbarkeit
ist die Erinnerung
des Herzens
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