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Alt 04.11.2012, 18:06
Tati P. Tati P. ist offline
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Standard AW: Wie seid ihr mit dem Haarausfall umgegangen?

Dieses Thema hat mich zu Beginn meiner Chemo auch am meisten beschäftigt. Ich hatte auch immer lange Haare, fast bis zum Hintern und ich war immer darauf bedacht, möglichst weiblich auszusehen.

Während der Chemo war ich ausschließlich in Schlodderklamotten anzutreffen. Ich fühlte mich krank, ich wollte krank aussehen. Sich schick herauszuputzen stimmte nicht mit meinem Gefühl überein.

Auch ich hatte große Angst vor dem Haarausfall und habe Unmengen an Tränen darüber vergossen, als es dann soweit war, dass immer mehr Haare und Strähnen an den Klamotten hingen.

Meine Cousine hat sie mir dann irgendwann auf einen halben Zentimeter abrasiert und was soll ich sagen... es war nicht schlimm. Ich fühlte mich etwas wie aus nem Straflager, mit dem Stoppelschnitt, aber es war okay.

Nach der 2. Chemo fing die Kopfhaut ganz schrecklich an zu jucken und irgendwann habe ich mich mit einem Eimer im Schneidersitz vor den großen Schlafzimmerspiegel gesetzt und mir die restlichen Haare rausgezogen. Weggeschubbert sozusagen, sie waren ja eh komplett locker.

Das war schon etwas scary, aber auch das war ok.

Ich denke, man selber, der Geist, das Bewusstsein, der Körper, ist so sehr mit Überleben und den harten Fakten dieser Krankheit beschäftigt, dass er keine Kapazität mehr für "Oh je, ich seh' so schlimm aus, mir fallen die Haare aus" hat.
Ich hatte viel zu sehr mir mir selber zu kämpfen, mich zu versorgen, meine Termine wahrzunehmen, einfach weiter zu leben, alsdass ich noch Kraft oder Gedanken für meine blöden Haare über gehabt hätte.

In dem Moment, wo die Haare weg waren, war es ok. Ich hatte es mir deutlich schlimmer vorgestellt. Also das Gefühl.
Die Optik war genau so übel, wie in meiner Vorstellung

Auch ich hatte Zeiten, wo ich heulend vorm Spiegel saß, mir die Mütze, die ich übrigens IMMER trug runterzog und mich selber als Monster betitelt habe. Es ging mir dreckig, ich hatte diese schei** Krankkeit, hatte Angst zu sterben und sah ausgesprochen schei** aus.
Ich habe mich nie ohne Mütze vor den Spiegel gestellt und selbst nach dem duschen, habe ich erst die Mütze wieder aufgesetzt, bevor ich vor den Spiegel getreten bin.
Auch in Umkleidekabinen, habe ich erst die Mütze zurecht gerückt, bevor ich den Kopf gehoben und in den Spiegel geschaut habe. Meinen kahlen Kopf konnte ich nicht ertragen.

Trotzdem habe ich davon Fotos mit der Webcam gemacht.

Wenn ihr Lust habt, schaut Euch doch mein kleines Video in der Signatur an, da ist die Entwicklung ganz gut zu sehen.
Während der Behandlung habe ich die Fotos meist nur gemacht, selten angeschaut, aber heute finde ich diese Chronologie einfach nur interessant.

Kopf hoch Mädels. So nervig die Sprüche auch sind, die Haare kommen tatsächlich wieder. Auch bei Euch.

Übrigens hatte ich 6 Monate nach der letzten Chemo schon eine Frisur, bei der niemand mehr an Krebs gedacht hat. Ja, Fremde mögen "mutig kurz" oder auch "etwas länger wäre besser" gedacht haben, aber ich denke den Krebs Gedanken hatte da kaum noch jemand.

Haltet durch!
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