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Alt 20.07.2003, 09:28
Gast
 
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Standard Tod vorgestern

Lieber Armin,

ja, es ist schwer, einen geliebten Menschen gehen lassen zu müssen und machtlos daneben zu stehen.
Auch ich habe vor 7 Monaten einen solchen Menschen verloren.
Allerdings durften wir nicht eine so lange Zeit miteinander verbringen.
Obwohl wir uns schon 11 Jahre kannten und eigentlich beide wußten, daß wir zusammen gehören, sind zuletzt nur 2 Jahre daraus geworden.
Eine Zeit, sehr intensiv und wunderschön, wie ich es noch nie erlebt habe.
Schon nach einem halben Jahr unseres Zusammenseins kam die Diagnose...KREBS
Die Fragen nach dem Sinn des Lebens und nach dem WARUM habe ich mir auch gestellt, genauso wie Du.
Ich konnte, wollte es nicht begreifen. Hatte ich doch den Mann gefunden, mit dem ich alt werden wollte, den ich so sehr liebte.
Das Schicksal fragt nicht nach unseren Wünschen und später dann habe ich mir gesagt, daß es einen Sinn geben muß.
Vielleicht werde ich ihn irgendwann begreifen.

Als ich meinen Mann in den letzten Minuten seines Lebens in den Armen hielt, habe ich ihm seine Ruhe, seinen Frieden und die Erlösung von diesen furchtbaren Schmerzen gegönnt.
Manchmal war es einfach nicht mit anzusehen, wie er litt.
Und auch da war ich machtlos, konnte ihm nicht helfen, konnte ihn nicht von seinen Schmerzen befreien.
An einen Freitod habe ich nicht gedacht, obwohl ich in der ersten Zeit oftmals den Wunsch geäußert habe, bei ihm zu sein und dieses Gefühl war äußerst stark.
Doch es gibt in erster Linie noch 2 Menschen, die mich brauchen, denen ich sehr weh tun würde, die unendlich leiden würden, hätte ich meinem Leben ein Ende gemacht.
Das sind meine beiden Kinder, die mir in der schlimmsten Zeit und auch noch heute, sehr geholfen haben.
Ich weiß nicht, ob Du kinder hast. Aber mit Sicherheit gibt es mindestens einen Menschen, der Dich braucht.
Es ist bei mir immer noch nicht vorbei, Armin, auch jetzt noch nicht. Es gibt ständig Situationen, da kommt die Erinnerung, hart drastisch, dann laufen die Tränen.

Manchmal frage ich mich, ob dieses Leid und die Trauer nicht auch sehr egoistisch ist.
Wenn ich bildlich meinen Lebensgefährten vor mir sehe, wie sehr er unter diesen Schmerzen und überhaupt mit dem Bewußtsein, Krebs zu haben und sterben zu müssen, gelitten hat, kommen mir schon einmal solche Gedanken.
Denn im Vergleich zu dem, was er durchmachen mußte und viele andere, Krebserkrankte, die auch hier im Forum schreiben, ist das Leid der Hinterbliebenen ein anderes.
Ein Leid, von dem wir wissen, daß es irgendwann verblaßt.
Niemand von uns wird seinen liebsten Menschen vergessen, aber irgendwann mit einem Lächeln an eine wunderschöne Zeit zurückdenken.
Soweit bin auch ich noch nicht, Armin, denn die Erinnerung an ihn schmerzt immer noch, aber nicht mehr ganz so häufig.
Ab und zu gelingt mir auch schon einmal ein "Lächeln" und ab und zu gelingt es mir auch, von ihm zu sprechen, zu erzählen, ohne weinen zu müssen.

Ich weiß nicht, ob Du mit dem, was ich geschrieben habe, etwas anfangen kannst.
Es soll ein bißchen Hoffnung für Dich sein, daß "es" weitergeht, mit jedem Tag, mit jeder Woche, immer einen ganz winzig kleinen Schritt nach vorne.
Aber eines ist sicher, Du bist hier nicht allein und kannst Dir alles vom Herzen, von der Seele schreiben, was Dich belastet.
Es wird immer Menschen geben, die Dir antworten, von ihrem eigenen Schicksal erzählen, Dir Mut machen möchten.
Dies habe ich selbst mit einigen lieben Menschen hier im Forum erfahren dürfen und bin ihnen sehr dankbar dafür.

Alles Liebe für Dich und viel Kraft
Mucki
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