Thema: Mit 50 Witwe
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Alt 12.12.2007, 10:25
chris1952 chris1952 ist offline
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Standard AW: Mit 50 Witwe

Liebe Sylvia,

durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und konnte nicht mehr aufhören sie zu lesen. Alles was Du geschrieben hast, könnte ebenso von mir sein.
Bei mir jährt sich das Schreckliche nun schon zum 6.Mal, doch ich kann es noch immer nicht fassen!
Ich habe seit fast 12Jharen Leukämie und mein Mann hatte immer große Angst, daß ich vor ihm gehe. Er selbst war niemals krank. Ein vitaler, lebenslustiger Mann!
Wir hatten unser sehr großes Haus in Dresden verkauft und uns gerade ein neues, kleines Huas, ein paar Kilometer von DD entfrent bauen lassen.
Wir erfreuten uns daran wie zwei Kinder.
Außerdem hatten wir eine Hundezucht und viele andere Tiere,also eine richtige kleine heile Welt!
Zwar hatte ich bemerkt, daß mein Mann abgenommen hatte und bei jeder kleinen Tätigkeit richtige Schweißausbrüche bekam, doch ich schob es auf die ungewohnten Tätigkeiten, wie Zaunbau oder Terrassenbau. Er klagte auch nicht über Unpäßlichkeiten und so machte ich mir auch keine Gedanken.
Allerdings hatte er seit einiger Zeit immer das Gefühl, einen Fremdkörper" im hals zu haben und er bekam immer öfter schlimme Hustenanfälle. Da ich selbst lange Jahe im gesundheitswesen gearbeitet habe, dachte ich, es ist so ein Divertikel, also eine eigentlich harmlose Ausstülpung der Speseröhre. Das gibt es bei Männern recht häufig. Allerdings brauchte ich Monate bis ich ihn überzeugt hatte, daß er zum Röntgen geht,. Er hatte, wie so viele Männer, Angst vor Spritzen.ZWei Tage nach dem Röntgen brach unsere kleine heile Welt völlig zusammen. Das Rötngen hatte ergeben, daß er Magenkrebs hat, welcher schon bis in die Speiseröhre ragt. Er sollte sofort operiert werden. Als der Oberarzt uns über die OP aufklärte, war es so, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen, denn die Chace, daß er die OP überhaupt überlebt stand 50 zu 50.
Mein Mann arbeitete selbst in diesem Krankenhaus, deshlab bot man mir ein Gästezimmer an, damit ich in der schweren zeit bei ihm sein konnte.
Uns blieben dann genau 4tage, um unsere ganzen Tiere in ein Tierheim zu geben(was sehr) weh tat. Nur meinen kleinen Dackel, den mir mein Mann erst kurz vorher geschenkt hatte, konnte ich mit nach DD in das Gästezimmer nehmen.
Die OP überlebte mein Mann, obwohl es Probleme mit der Lunge gab. Da man auch mich in diesem Krankenhaus gut kannte, durfte ich vom ersten tag an, von früh 7Uhr bis abends 22Uhr bei ihm sein und auch ich pflegte ihn selbst, da es ihm so lieber war. Am 5.Tag nach der OP hatte ich dann ein Arztgespräch, es war niederschmetternd. Man sagte mir, dáß er zwar noch keine Metastasen hat, doch alle Lymphknoten um den Magen schon befallen sind. Die Prognose,man sagte mir, es wird das letzte Weihnachten sein, was ich mit ihm verbringen kann. Die OP war ca ein dreiviertel Jahr zu spät gemacht worde.
Diese Hiobsbotschaft wollte ich ihm nicht sofort sagen und da er sehr gute Fortschritte machte, hatte auch ich die Hoffnung, daß die Ärtze sich auch mal irren können. Er kämpfte wirklich richtig und ließ alle unangenehmen Dinge klaglos über sich ergehen. Zum Chefarzt sagte er, daß er doch schnell wieder gesund werden möchte, da ich ihn doch so sehr brauche wegen meiner Leukämie.
Er war am 3. Dezember operiert worden und dann 12tage auf der Intensivstation. Auf der normalen Station begann er sorfort, seine Muskeln wieder zu trainieren, damit er laufen kann. es klappte und alle wunderten sich.
In mir jedoch nagte dieser Satz des Arztes, noch maximal ein Jahr. Doch ich "spielte " auch weiterhin die "starke Frau". Erst wenn ich abends in mein Gästezimmer ging, ließ ich meinen Tränen freien Lauf.
dann kam die freudige Nachricht, daß er über Weihnachten und Silvester mit nach Hause darf. Wie hat er sich gefreut, endlich wieder in seinem kleinen neuen Haus zu sein. Anfang Januar sollte er dann Chemo bekommen. da das immer nur 4 tage waren, bin ich zu Hause geblieben, denn an den übrigen tagen wurde er nach hause gebracht.
Doch wie erschrak ich, als ich ihn4 tage nicht gesehen hatte und er nach Hause kam. Er sah aus wie Wachs und war völlig entkräftet.
Trotzdem machte er mir Mut, nicht ich ihm. Er scherzte so wie früher und machte Pläne, wie wir im Sommer unseren Garten gestalten werden. Meine Güte tat das weh, denn ich wußte, er kann das nicht mehr.
Einen Tag bevor er wieder in die Klinik mußte, zog er sich warm an, denn es schneite gerdae wie verrückt. Dann ging er in den Garten. Das ich ihn durch die terrassentür beobachtete wußte er nicht.Er stand lange da und beschaute sich mit ganz traurigen Blick das neue Haus, er streichelte über das Schwimmbecken, welches er erst wenige Monate zuvor gebaut hatte.
ich denke, er hat damals Abschied genommen, doch ich sollte es nicht merken.
Als das nächste Wochenende kam, wartete ich ewig lange auf ihn. Als er mittags noch immer nicht da war, rief ich die Klinik an. ich bekam zur Auskunft, daß meinem mann "schlecht" geworden sei als er schon im Krankenwagen auf dem Weg nach Hause war. Man hätte ihn wieder auf die Station gelegt.
ich hörte sofort sämtliche Alarmglocken läuten, packte meine Tasche und den dackel ins Auto und fuhr nach DD. ich bekam sofort wieder mein Gästezimmer.
Mein Mann lag schläfrig im Bett, sagte, daß er froh ist das ich da bin und klagte über Kopfschmerzen. Er sagte, es sei ihm "schwarz vor Augen "geworden im Krankenwagen und da sei er wahrscheinlich mit dem Kopf an etwas gestoßen.
Anschließend hatte ich ein Arztgespräch. Die Ärztin fragte mich, ob ich Veränderungen an ihm wahrgenommen habe.Es bestand der verdacht auf eine Hirnmetastase, was bei Magenkrebs äußerst selten vorkommt.
Montag den 21.1.02 wurde er zum CT gebracht und eine Stunde später kam die Stationsärztin in das Zimmer. Niemals werde ich diesen Augenblick vergessen. Sie sagte, daß er eine taubeneigroße Metastase auf der linken Hirnhälfte hat und diese von Wasser Umgeben ist, deshlab auch das Druckgefühl im Kopf. Als mein bis dahin so tapferer Mann das hörte, weinte er bitterlich und er sagte zu mir, nein nun will ich nicht mehr. Dieses hilflose Dabeistehen, es war einfach schrecklich.
Anschließend erfuhr ich von der Ärztin, daß es meinem Mann nicht schlecht geworden war, sondern er einen Krampfanfall, hervorgerufen von der Hirnmetastase, hatte. Nun war aus dem Jahr welches uns noch bleiben sollte, nur noch wenige Wochen oder Monate geblieben. Es wurde mir auch gesagt, daß ich damit rechen muß, daß es bald zu einem weiteren Anfall kommen kann und es danach neurologische Ausfälle geben wird.
Mein Mann ahnte es und der sagte zu mir, daß er nicht "verrückt" im Kopf werden möchte. ich saß die letzten tage dann von früh bis abends mit auf seinem bett und er konnte erstaunlicherweise gut essen und er scherzte mit mir und dem Personal.
Am 24.1.02 war ich von der ständigen Anspannung so sehr kaputt, deshlab verabschiedete ich mich von meinem Mann und sagte wir können ja dann noch bisschen telefonieren. Wir telefonierten dann mehrmals, immer wenn eine Werbepause im fernsehen war. Um 12Uhr sagte er, daß er was zu Schlafen bekommen hat und nun versuchen wird zu schlafen.
Am kommenden Moregn weckte er mich wie immer 6Uhr telefonisch. Normalerweise stand ich dann sofort auf, lief mit dem Hund eine Runde und ging anschlißend zu ihm auf Station.
Wieso ich ausgerechnet an diesem tag einen Schreibblock nahm und damit begann, ein tagebuch zu schreiben, ich weiß es nicht. ich habe sowas vorher noch nie gemacht.
Habe meinen Mann 8Uhr angerufen und gesagt, daß ich mich bissel verspätet habe und jetzt nur noch seine zeitung hole und dann gleich bei ihm bin.
Als ich 20Minuten später auf der Station war, durfte ich nicht in sein Zimmer. Die Ärztin kam zu mir und sagte, er hatte einen schlimmen Krampfanfall, sie tun ihr möglichtest, doch es sieht schlecht aus. den Anblick sollte ich mir ersparen, außerdem sei das kleine Zimmer voller personal und sie sagte sie wird mich dann holen.
ich lief wie ein Tiger auf und ab. Nach 10Minuten durfte ich zu ihm. Da setzte gerade seine Atmung und sein Puls aus...

Auch mir sagte man dann zum Trost, daß er doch nun nicht noch Schlimmeres erleiden muß und erlöst wurde. Das mag ja stimmen, doch auch ich hätte ihn gern gepflegt und wäre nur noch für ihn da gewesen. Sicher, es sind egoistische Gedanken, denn er hätte darunter gelitten, nicht mehr so wie früher zu sein.
Zu diesem zeitpunkt war ich kurz vor meinen 50.Geburtstag. Wir hatten uns für den tag soviel vorgenommen. Nun stand ich da, allein mit meiner Krankheit und meinem kleinen Hund.
An den 50.geburtstag mag ich lieber nicht mehr denken und auch nicht an das erste Weihnachtsfest allein.
Leider hatten wir Beide keine Familie, meine Tochter war schon als Baby gestorben.
Er war nicht nur mein Mann, er war für mich alles, eben meine ganze familie. Es gab nichts, was wir nicht gemeinsam taten in den 18Jahren unserer Ehe.

Es gab niemanden, der mich auffangen konnte. In Panik verkaufte ich unser neues Haus, denn ich glaubte, daß ich darin keinen glücklichen tag mehr erleben kann.
Wie oft habe ich das später bereut!
jahrelang habe ich versucht alles zu verdrängen, bin verreist um meinem Leben davonzulaufen. Doch das Leben holt einen immer wieder ein.
Die Verdrängung hat dazu geführt, daß ich nichts aufarbeiten konnte.
Erst in diesem Jahr, jetzt im Moment, wo sich alles zum 6.mal jährt, bin auf Anraten meines Arztes dazu bereit, die Trauer richtig an mich heranzulassen.
Natürlich habe ich auch in den ganzen vergangen Jahren sehr viel um ihn geweint und ihn jeden tag vermißt.
Mein Arzt riet mir auch mal, mich nach einem neuen Partner umzuschauen, was ich ganz empört abgelehnt habe. Manche schaffen es,nach gewisser Zeit
wieder ein normales Leben, mit einem neuen Partner zu beginnen.
Doch in mir ist seit 6Jahren alles abgestorben, bin nur noch wie eine leere Hülse.

Bei Dir ist alles noch sehr frisch, doch Du versuchst nicht zu verdrängen, deshalb wird es Dir nach einiger Zeit auch wieder etwas besser gehen.
Vergessen kann man Schreckliche wohl niemals wirklich!

Ich wünsche Dir von Herzen alles, alles Gute
Chris
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