AW: Hinterblieben, nur wo?
Guten Morgen.
Totensonntag.
Für Viele der letzte Sonntag des dunklen Monats. Ein Monat voller dunkler Sonntage, Friedhofsbesuche. Noch einmal die Gräber schmücken, fertig machen für den langen Winter. Bei manchen ist die Trauer noch ganz frisch, andere kommen schon viele Jahre hier her. Es gibt Gräber, die sind richtiggehend aufgemotzt. Die einen sollen zeigen, wie gross die Trauer immer noch ist, wie lieb einem der oder die Verstorbene ist. Andere sagen: schaut mal, wie ich trauere. Andere sind geschmückt, weil man es eben so macht an diesem Tag. An manchen Gräbern hängt eine Mahnung der Friedhofsverwaltung, mit der Bitte, das Grab wenigstens nicht ganz verkommen zu lassen. Nach dem Gottesdienst, den etliche immerhin noch besuchen an dem Tag, geht's auf den Friedhof. Man zeigt sich, redet mit Bekannten, ein kurzes, stilles Gedenken. Danach geht der Trott wieder weiter.
Der nächste Monat wird hell und leuchtend. Geschäftiges Treiben. Vorbeitungen laufen. Stellenweise macht sich Hektik breit. Am nächsten Sonntag brennt bereits die erste Kerze auf dem Adventskranz. Sind die Plätzchen gebacken? Alle Geschenke besorgt? Hab ich jemand vergessen? Was gibts am Weihnachtsabend zu essen? Wann kommt die Familie zu Besuch? Gibt es wieder den gleichen Hickhack wie letztes Jahr?
Totensonntag
Ein Termin im Kalender (genau wie Allerheiligen), den man nicht vergessen darf. Mit der Besonderheit der zusätzlichen Belastung wie oben beschrieben. Ein Termin ist abgehakt, während man schon den nächsten anvisiert.
Boah. Ist es das?
Totensonntag
Ein Feiertag, ein Ehrentag. Kein trauriger Tag. Ja, auch, doch nicht nur. Ein Tag um wieder mal die Bremse zu ziehen. Einen Punkt zu machen. Sich mal auf eine Sache zu konzentrieren. Nicht wie sonst auf viele gleichzeitig. Wie an so vielen Feiertagen im Jahr. An Weihnachten, Ostern schaut man nach vorne. Heute zurück. Auf die Toten, auf sich selbst. Sich bewusst werden, wie schön es war, als die Lieben noch bei uns waren und dafür dankbar sein. Sich bewusst werden, was Leben heisst. Sich bewusst werden über den Unterschied zwischen Tot und Leben. Versöhnung mit dem Leben. Das eigene Leben spüren und akzeptieren. Jeder für sich und auf seine eigene Weise.
Totensonntag
Ein besinnlicher Tag. Ja, doch kein trauriger. Kann man das nicht das ganze Jahr über? Warum also ein einzelner Tag im Jahr? Sie haben es verdient, dass sie gefeiert werden. Sie haben diesen Ehrentag verdient. Unsere Verstorbenen. Nicht zwischen Tür und Angel wie sonst oft in der Hektik des Alltags. Auch wir Überlebende haben diesen Tag verdient. Zum Anhalten, zum Luftholen, zum Kraftschöpfen, zum Aufräumen. Zurück an den Start und dann mit neuem Schwung weiterleben. Dazu muss man nicht an einen Gott glauben. Jeder auf seine Weise.
Der Totensonntag hat alle Vorausetzungen, ein friedlicher, ein fröhlicher, ein ausgeglichener Tag zu sein.
Ich wünsche euch von Herzen einen solchen Tag,
Helmut
PS: Die Menschen, die diese Feiertage "erfunden" haben, wussten sehr genau, was sie da tun. Was wir heute in diesen Tagen sehen, was in sie hinein interpretiert wurde und immer noch aufs Neue wird, ist eine andere Geschichte.
Geändert von HelmutL (21.11.2010 um 10:59 Uhr)
Grund: Ergänzung
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