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Alt 30.09.2010, 13:18
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Ariadne Ariadne ist offline
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Standard AW: Ich kann ohne dich nicht leben

Es war Samstag und eigentlich wollte ich gar nicht zum Einkaufen fahren. Aber es fehlt die Milch für den Kaffee.
Mit der gekauften Milch in der Tasche war ich gerade wieder auf dem Weg zum Auto, als mich der Duft von frischem Brot innehalten lies und mich in den Bäckerladen lockte.
Und da sah ich sie dann, die längst vergessenen Vanilleschnitten. Wie sehr hatte Leo sie geliebt.
Gelbe Vanillecreme zwischen Blätterteigplatten, dick bestrichen mit Zuckerguss. Ich erstehe eine und verlasse den Laden. Spontan entschließe ich mich mit meinem süßen Luxus an die Elbe zu fahren und ihn dort zu verspeisen. Es ist ein Katzensprung mit dem Auto und die Sonne scheint.
Der Strand ist fast menschenleer. Nur Wenige, auch von der Sonne angelockt, wandern durch den Sand, werfen ihren Hunden Stöckchen zu.
Der Weg, den ich mir vornehme, verlässt den breiten Strand und führt mich am Leuchtturm vorbei. Nur einmal bin ich hier mit Leo gewesen.
Dieser Flussbereich ist mit einem Uferschutz aus großen Felsbrocken gesichert, und um an das Wasser hinunterzukommen kämpfe ich mich durch dichtes Gebüsch und über Felsen, die der Ufersicherung dienen. Ich finde einen Platz auf einem vor Wind geschützten Felsbrocken und lasse meine Füße vom kühlen Elbwasser umspülen.
Ich packe meine Vanilleschnitte aus und beginne sie zu verspeisen. Lecker, wirklich lecker –
Meine Gedanken wandern zu Leo.
Die Sonne glitzert auf der Wasseroberfläche, eine leichte Brise bedeutet ideales Segelwetter für die Segler auf den Booten und kräuselt das Wasser. Hin und wieder weht der Wind das Geräusch knatternder Segel zu mir, wenn eines der Boote wendet oder den Kurs wechselt, lässt Wortfetzen herüber wehen, lachen. Diese ungewollte Teilnahme an der intimen Zusammengehörigkeit der Crew auf den Booten lässt mich meine Einsamkeit noch mehr fühlen.
Eine Freundin hatte Leo einmal gefragt: „Denkst du auch an Marian, und wie das sein wird, wenn sie alleine zurückbleibt?“ Seine Antwort war schroff und ich höre sie noch heute: „Marian weiß was auf sie zukommt.“ Freilich habe ich es gewusst, aber wie es sich anfühlen würde konnte ich nicht ahnen.

Eine dicke Wolke schiebt sich vor die Sonne. Ich schlecke meine zuckrigen Finger fein säuberlich ab und mache mich auf den Weg zurück über die Felsbrocken. Sich hier den Fuß zu brechen wäre ein Leichtes, denke ich. Und niemand würde mich hier je hören oder finden. Beim nächsten Mal muss ich das Handy mitnehmen, nehme ich mir vor.
Nach der Klettertour erreiche ich wieder den richtigen Weg. Ganz weit vorne erkenne ich, dass mir jemand entgegen kommt. Bloß niemanden sehen, in kein Auge blicken müssen, keinen Smalltalk, einfach nur nichts. Und ich umgebe mich mit einer Aura von Unnahbarkeit, starre auf den Weg unter meinen Füßen. „Moin, Moin“ - und die Person zieht mit dem erwarteten Blick an mir vorbei. „Moin“ gebe ich zurück und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es ist fünf Uhr nachmittags und noch immer erfreut mich dieser Gruß zu dieser Uhrzeit, stellt eine Verbindung her zu „guten Morgen“, von der ich weiß, dass sie falsch ist. Woher das Wort wirklich stammt ist nicht klar erwiesen. Im Hamburgischen hat es schlichtweg die Bedeutung von „Tach“.
Erkenntnis des Tages: Auch an kleinen Dingen kann man sich erfreuen, und wenn es nur für einen kurzen Augenblick ist.

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