Thema: Gedanken
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Alt 25.02.2010, 22:20
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Elanor Elanor ist offline
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Standard AW: Gedanken

Liebe Pia,
viele Frauen hier sind durch schlimme Zeiten gegangen, ich gehöre zu denen die sich prophylaktisch die Brüste hat amputieren lassen (BRCA1). Meine Mutter ist mit 39 an Brustkrebs gestorben. Mit diesen Bildern im Kopf fällt es mir emotional sehr schwer sich (und auf der anderen Seite auch paradoxer weise sehr leicht) in Deine Situation zu versetzen. Es ist zu schmerzhaft.
Das Leben bietet sehr oft einem die Situation sich für den einen oder anderen Abzweig zu entscheiden, diese Entscheidung etwas zu tun oder zu lassen prägt dann manchmal das ganze restliche Leben. Aus irgendwelche Gründen (Erfahrungen, Hoffnung etc.) geht man den einen Weg und nicht den anderen, man entscheidet immer mit dem derzeitigen Wissens- und Erfahrungshintergrund den man hat und nur sehr selten selten würde man, wenn man ehrlich ist, etwas anders machen wenn man die Zeit zurück drehen könnte (aber nicht mehr wüsste als damals). Ich habe einen recht komischen Glauben: ich habe schon recht früh an eine Art Schicksal geglaubt, wie bei den Nornen, den Schicksalsweberinnen. Wann Dein Leben beginnt, die groben Muster, also was Dir an wichtigen Dingen zustossen wird, was Dein Leben ausmachen wird, und der Zeitpunkt Deines Todes sind festgelegt, die Farben und Details bleiben Dir überlassen. Ich wusste nach dem Tod meiner Mutter dass Brustkrebs mein Schicksal sein würde, jetzt, nach 27 Jahren hab ich mich operieren lassen und zwar den Tod durch Brustkrebs sehr wahrscheinlich vermeiden können, bin aber trotzdem durch diese Krankheit gezeichnet. Du hast gehofft. Und da hat Dich diese Scheiss-Krankheit genau da getroffen, worin sie so erfolgreich ist. Hoffen und Hoffnung zerstören. Man wiegt sich in Sicherheit und fängt wieder an zu leben und dann schlägt die Krankheit wieder zu. Ich habe nach dem Tod meiner Mutter eine komplett andere Lebensbewältigung (ich war 14 als sie starb) in Angriff genommen. Ich male mir immer das worst-case-szenario aus (und durchlebe diese Vorstellungen auch) und wenn es besser kommt habe ich Glück. Mein Mann hat vor ein paar Jahren MS bekommen und diese Strategie hat mir gute Dienste geleistet. Mein Vater ist damals als meine Mutter so krank war nicht auf die Idee gekommen, dass psychologische Hilfe vielleicht eine gute Idee für seine Tochter wäre. Nehmt Ihr so etwas in Anspruch? Vielleicht gibt es eine positivere Form der Problembewältigung für Deine Männer? Krebs ist eine sehr spezielle Krankheit finde ich und es ist sicher nicht abwegig in einem Brustzentrum nach einem/einer Psychologen/Psychologin zu fragen.
Ich wünsche Dir alles erdenkliche Gute, wenig Schmerzen, viel Kraft, genug Zeit um noch Dinge zu tun die Dir wichtig sind. Denke daran, Du kannst Deinen Lieben keine Schmerzen abnehmen. Durch Deine Art und Deine Haltung wirst Du Deinem Sohn für immer ein Vorbild und somit in seiner Zukunft sehr oft unendlich wichtig sein. Er wird seine Erfahrung die er mit Deiner kraftvollen und lebensbejahenden Art gemacht hat, auch Deinen Zweifeln und Schmerzen, in seine zukünftige Familie übertragen. So ist es mir ergangen. Meine Mama ist jeden Tag in meinem Leben da. Ich vermisse sie jeden Tag aufs Neue. Sie hat mir unendlich viel Liebe hinterlassen und eine Millionen Samenkörner an Wissen und Erfahrung, die zur richtigen Zeit aufgehen, und die ich zum Teil meinem sechsjährigen Sohn weitergeben kann. Vielleicht kannst Du eine Art Tagebuch oder Briefe schreiben, die Dein Sohn an seinen zukünftigen Geburtstagen öffnen kann. Mir hätte es viel gegeben, wenn meine Mutter das getan hätte. Aber sie hat einfach zu lange gehofft, dass alles wieder gut werden würde und irgendwann war es dann einfach zu spät.
Noch einmal, alles alles Gute, für einige Gelegenheiten gibt es keine Worte, viel Kraft, liebe Grüsse

Elanor
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