[Kerstin G.]

Lieber Papa,
morgen wird der schwärzeste Tag meines Lebens. Ich versuche wirklich, mich zusammenzureißen, aber es gelingt mir nicht. Wir haben, so wie Mutti es wollte, alles wie immer vorbereitet. Habe vorhin noch die restlichen Weihnachtsgeschenke eingepackt. Aber selbst das ist mir nicht gelungen. So häßliche Pakete hab ich in meinem Leben noch nie zusammengeschustert. Aber ich hoffe, man wird mir verzeihen. Habe eben absolut keinen Nerv für sowas. Costa lief vorhin wieder ganz aufgeregt durch die Wohnung, als ich seinen bunten Teller vorbereitet habe. Kennst ihn ja, wenn er Leckerchen riecht, dann gibt es kein Halten für ihn. Er war in der letzten Zeit öfter mal bei Mutti drüben. Aber er war stets unruhig und hat nur gejault. Er merkt auch, daß Du fehlst!!!
Siehst Du, jetzt bin ich schon wieder am Heulen.

Morgen kommt Mutti zum Mittag rüber. Sie möchte dann schon für Norbert die Bescherung machen, da er ja danach arbeiten gehen muß. Wir kommen dann nach dem Essen zu Dir auf den Friedhof. Kaffee gibts diesmal bei Mutti, denn sie möchte abends nicht in ihrer Wohnung sein. So konnt sie dann mit zu mir und wir essen dann gemeinsam Abendbrot. Sie hat wieder Kaßler und Kartoffelsalat gemacht. So wie immer.

Meine "tolle" Schwiegermutter hat immernoch keine Ahnung, daß Du nicht mehr da bist. Sie meldet sich nicht. Und nachdem ich meine Geburtstagskarte postwendend an sie zurückgeschickt habe, wird sie sich wohl nicht mehr trauen, uns irgendwelche blöden Karten zu schicken. Sonst zeigt sie ja auch kein Interesse an ihrem Sohn. Und Du kennst mich, ich brauche nicht 2 mal im Jahr eine Karte mit Geld. Viel schöner wäre es, wenn sie sich mal einfach nur so melden würde.

So, will Dir jetzt nicht weiter die Ohren vollheulen. Aber Du wirst ja so oder so wissen, wie es mir momentan geht. Ich vermisse Dich so sehr.
Ich hab Dich lieb, Papa.
Deine Kerstin

Verzeih mir bitte, daß ich mich momentan nicht zusammenreißen kann.