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Alt 23.11.2009, 22:06
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo Chaoskatze,
ich habe einen Lymphdrüsenkrebs, genauer Morbus Hodgkin. Der ist eigentlich gut heilbar und 90% sind nach der ersten Behandlungsreihe "geheilt". Dummerweise wollte mein Körper lieber zu den 10% gehören, aber jetzt scheint er ja weg. darauf kommt es ja an.
Ich weiß nicht, ob dass dan rum geht, wenn ich einmal vor die Mathevorlesung getreten bin. Ich bin ja in drei Fachbereichen (Mathematik, Deutsche Philologie und Lehramtsbezogene Berufswissenschaftem) unterwegs. Und die Uni ist nicht klein. zu meiner Adresse: Du kannst gerne kommen und die intoleranten Studenten verhauen. Freie Universität Berlin. Schöne Grüße von mir!
Mein Vater war schon vorher ein Hypochonder. Wenn man den mal braucht, ist er nicht da. Deswegen habe ich mich auch dran gewöhnt, nahezu nichts von ihm zu erwarten. Wenn er mich mal vom Krankenhaus abholen sollte, hat er es geschafft mich zu versetzen. Oder als ich mal frisch von der Chemo zu Hause war mit dröhnender Birne und meine Mama hatte einen Weisheitszahn gezogen bekommen. Der Fels in der Brandung ist sozusagen ausgefallen. Da kann er nicht einspringen. Ihm geht es ja so schlecht, weil er Stress mit seiner Angestellten hat. Manchmal muss man halt auch was leisten, wenn es einem schlecht geht. Das kann er nicht. Manchmal denke ich auch, dass ich meine Übelkeitsphobie wegen ihm habe. früher war er Alkoholiker und hat immer ganz leidend gebrochen. Da dachte man auch, dass er gleich stirbt.

Ich gebe zu, dass ich wohl auch dazu neige alle seine Aussagen schlechtsmöglich interpretiere, weil das meine Erfahrung sagt. Ich finde es krass, wenn er mit mir nicht in mein Krankenhauszimmer kommen wolte, weil es ihn an Krankenhaus erinnert. Echt, komisch?
Und ich finde es auch nicht positiv, wenn er sich vor meinem Tod mit mir versöhnen will, wenn mein Tod nicht konkret zur Debatte steht. Da denk ich eher, dass er Angst hat vor meinem Ableben sein Gewissen nicht erleichtert zu haben. Aber ist das mein Problem?
Aber seit meinem Auszug rege ich mich nur noch selten über ihn auf und das ist auch gut so. Ohne ihn lebt es sich einfach leichter. Diese negativen Energien will ich mir nicht mehr reinziehen.
Er hat mir neulich gesagt, dass er es gut fände, wenn wir uns anders begrüßen würden. Am liebsten fasse ich ihn nämlich gar nicht an oder im Notfall geben wir uns die Hand. Das ist aber meinen gefühlen angemessen und ich habe gelernt ohne einen präsenten Vater zu leben. Ich habe meine depressionen überstanden und mir geht es jetzt gut damit. Es ist also nicht mehr mein Problem. Mit diesem Mangel habe ich wohl lange gekämpft, aber das ist nicht mehr meine Baustelle.
Gute Nacht zum Zweiten!
Kerstin

P.S. Ein Tumor ist doch auch Krebs oder versteh ich hier was falsch?
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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