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Alt 24.09.2009, 07:37
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annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Betroffen?! Angehörig?! Herzlich Willkommen!

Guten Morgen Ihr Lieben,

gestern waren mein Mann und Mamas Mann am Nachmittag mit dem Kleinsten im Krankenhaus. Gegen 17 Uhr sind sie gegangen. Mama schlief ganz tief und fest. Sie waren eine ganze Zeit lang dort und gingen dann, wohlwissend, dass Mama erholsamen Schlaf hat. Das Röntgen der Lunge war ohne Befund. Kein Wasser - keine Lungenentzündung. Entwarnung!

Um ca. 18.15 Uhr schellte mein Handy. Ich schaute auf das Display (ihr wisst ja - mein Handy und ich bilden eine Zweckgemeinschaft - ist einfach um erreichbar zu sein "im Notfall") und sah die Nummer des Krankenhauses. Die Stationsleiterin war dran, Schwester Susanne. "Frau XXX, Sie müssen kommen!"

Mama ist um 18.05 Uhr einfach "rübergeschlafen". Die Schwestern waren gerade im Begriff sie zu versorgen, als die Atmung flacher wurde. Sie verstarb in den Armen der Schwester in weniger als 5 Minuten. Einfach so. Eingeschlafen. Ich war nicht dort. Ich haderte gestern. Ich hadere heute. Aber der Mann meiner Mama sagte:"Annika, was soll denn ich sagen?! Ich war noch da. Wärest Du mit gewesen, Du wärst genauso gegangen wie wir auch. Denn sie schlief. Sie hat einfach geschlafen!"

Wir fuhren zum Krankenhaus - dort war sanftes Licht eingeschaltet. Auf dem Nachttisch eine Art Grablicht - geschmackvoll - eine Karte - ein Kreuz. Und Mama. Mama, die einfach zu schlafen schien. So, wie sie schlief, so ist sie gestorben. Kein Leiden, kein Wahrnehmen, die Augen geschlossen.

Ich habe mich verabschiedet. Ihr Tschüß gesagt, geweint. Begriffen? Nein! Das kommt später, so denke ich.

Ich tröste mich - die Zeit der Erkrankung hat mir so viel genommen, und sie hat mir, so banal das klingen magt, ein Wachstum im Reifeprozess mit Überschallgeschwindigkeit abverlangt. Ich hänge nach. Ich hänge nach und fühle mich nach wie vor "zu klein für diesen Scheiss". Aber irgendwie merke ich, dass ich mich viel damit auseinandergesetzt habe. Das hat mir ermöglicht, die Dinge auch in anderem Licht zu sehen. Meine Mama hat eine gute Zeit gehabt und kein bewusst leidvolles Sterben. Sofern es den lieben Gott gibt, eine höhere Macht - ja, dann bin ich dankbar.

Ich schwanke zwischen Traurigkeit und Gefasstsein. Gestern als ich nach Hause kam, war mein Papa mit seiner Freundin da. Mein Papa, der nie aufgehört hat meine Mama liebzuhaben und umgekehrt. Sie konnten damals nicht mehr miteinander leben, aber sie haben nie aufgehört sich zu mögen. Ich, ich habe gestern meinen Papa trösten können. Ich will (noch!) keinen Trost. Ich "kann" immer noch.

Gleich fahre ich mit Mamas Mann zum Bestatter. Ich habe gestern am Abend Kontakt zu selbigem aufgenommen. Heute wird das "Formelle" geregelt.

Gestern im KH, die Stationsleiterin...wir standen draußen auf dem Flur und sie sagte, dass es ihr leid täte. Sie war mit uns traurig. Richtig traurig. Ich sagte dann:"Jetzt habe ich keine Mama mehr!" Sie sagte:"Ich habe auch keine Mama mehr!" Und wir umarmten uns und trauerten jeder für sich um seine Mama und auch um die jeweils andere. Ich begreife, dass der Verlust so groß ist, dass ich auch gar nicht versuchen möchte es in Worte zu fassen.

Unser Wortschatz ist dafür nicht sortiert, zu grobklotzig. Es wäre so, als wenn ich versuchen würde aus Felsklötzen eine Sandburg zu bauen. Unmöglich. Ich liebe meine Mama, und wie der Grönemeyer es sagte:"Ich trag Dich bei mir, bis der Vorhang fällt!" - daran ändert keiner mehr was - das bleibt.

Auf dem Rückweg vom KH, ich lasse den Motor an, wende das Auto und schalte das Radio ein und was läuft?! U2 - with or without you!

Ich möchte Euch um etwas bitten. Also diejenigen, die das auch wollen, die möchte ich darum bitten. Beileid aussprechen unterliegt ja immer so einem formellen Ton. Diejenigen, die es mögen, die können mir ja hier ein paar Zeilen schreiben und evtl. einfach ihren Lieblingssong "dahinterhängen". Jeder entdeckt ja im Laufe der Zeit meistens ein Lied, welches ihm viel bedeutet. So habe ich dann die Möglichkeit, wenn ich dieses Lied zukünftig höre, meine Mama im Herzen aufleben zu lassen. Aber nur wer mag.

So, nun werde ich mich fertigmachen und dann hole ich gleich Mamas Mann ab und wir fahren zum Bestatter.

Für mich hat der Tod mit dem gestrigen Tage seinen Schrecken verloren. Ich habe keine Berührungsängste mehr. Er gehört zum Leben und es ist auch nicht schlimm/befremdlich, wenn man seine Mama dann noch drückt und küsst. Meine Mama ist "sanft entschlafen". Ich danke Gott dafür!

Annika, die Euch weiterhin an ihrer Seite weiß

Geändert von annika33 (24.09.2009 um 08:08 Uhr)
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