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Alt 05.07.2009, 13:54
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anthierry anthierry ist offline
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Standard AW: Ich habe Krebs! und mein Kind?

Hallo Petra,
die halbe Nacht habe ich mir den Kopf zerbrochen, ob ich auch einen Thread eröffne, welcher die Problematik Krebs und Kinder (eher Pubertierende) aufgreift, da ich gestern wieder mal ziemlich fassungslos den Reaktionen meiner Jungs gegenüberstand.
Meine reagieren zumeist sehr "rotzig" - was ja im pubertären Alter nicht ungewöhnlich ist - aber mich sehr belastet, weil ich es zum Teil rücksichtlos finde. Nun sollen sie mich ja nicht wie ein rohes Ei behandeln, aber manchmal treibt es mich zu heulen. Meine Onkologin ist der Meinung, dass sie so reagieren aus einer Art Selbstschutz heraus und weil sie damit nicht klar kommen.
Hilfe im Haushalt bekomme ich so gut wie keine - nein Mutter ist sogar nicht soetwas wie Haushälterin, Dienstbotin, Wäschefrau, Köchin usw. Sicher auch eine Erziehungsfrage. Vor meiner Krankheit hatte hier jeder in der Familie seine Aufgaben, sonst hätte das beim meinem Job ja gar nicht funktioniert. Aber jetzt wird prinzipiell gemurrt wenn Aufgaben verteilt werden, von allein sieht sowieso keiner ertwas und immer mit der Begründung ich wäre ja daheim und könnte alles langsam machen so dass es mich nicht anstrengt. Ich bin nicht nur enttäuscht und entsetzt, da ich alles für meine Eltern tun würde, damit es ihnen gut geht und sie es leichter haben. Ich bin ratlos...Habe ich ihnen zuviel abgenommen? Funktioniere ich zu gut, so dass sie glauben, mir würde es blendend gehen? Jammere ich zu wenig?

Vielleicht gibt es hier Userinnen, denen es ähnlich ergeht, sonst muss ich mich ernsthaft fragen, ob ich in meiner Erziehung total versagt habe. Zu anderen Menschen sind sie höflich und hilfsbereit - muss ich das nun persönlich nehmen. Geben sie mir etwa schuld daran krank zu sein?

Mein jüngster ist 13, war 8 als ich erkrankte. Er kam vor 2 Jahren mal vom Spielen nach ca. 10 Min. wieder nach oben, hat seine Zimmertür zugeknallt und mich nicht hineingelassen. Ich solle weggehen. Natürlich habe ich nicht lockergelassen. Es stellte sich heraus, dass Tommi geärgert wurde. "Deine Mutter ist ja voll hässlich, hat ne Glatze und ist klapperdürre". Ich war entsetzt. Ausgerechnet ein Junge hatte das gesagt, deren Mutter täglich mit Kippe und Bierglas am Imbiss vor unserem Haus steht und ziemlich "verlebt" aussieht. Für mich kein Grund diese Frau abzuwerten, schließlich ist es ihr Leben. Ich bin dann runter - habe mir die Bande geschnappt und aufgeklärt warum ich so aussehe und dass meine Haare nach der Chemo wieder wachsen etc. Der Kerl macht heute noch einen großen Bogen um mich, obwohl ich sehr ruhig und ausführlich mit denen geredet habe.
In der Schule gings genauso. Keine Unterstützung von den Lehrern - im Gegenteil. Zu meiner Chemozeit häuften sich die Einträge in Tommis Hausaufgabenheft. Meist wegen Lapalien wie unvollständiges Arbeitsmaterial usw. Das hat mich verdammt geärgert!
Tommi war wütend auf mich - zumindest maulig (die Wut hat er unterdrückt), dass bei uns nicht ständig zu Hause ein "öffentlicher Jugenklub" stattfinden kann, weil ich 1. Ruhe brauche 2. vor Bakterien u. Krankheiten geschützt sein möchte und 3. mit meiner schmalen Rente nicht immer noch eine Horde Kinder täglich versorgen kann. Ich betone nicht täglich. Sie haben schon ihre Freiheiten. Aber diese Rücksichtslosigkeit macht mir doch arg zu schaffen.
Heute habe ich Konzertgarten für "Blackmores Night" in der Berliner Zitadelle. Ich freue mich wahnsinnig darauf und bin schon dabei, mich "aufzubrezeln" Kommentar meines 21jährigen: Denke wir müssen sparen...
Ich hab gedacht ich höre nicht recht. Anstatt zu sagen "Hey Mom, das ist ja super, dass du dir mal was gönnst"...
Ist das alles noch normal????

Fassungslose Grüße
Anja
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Erstdiagnose Jan. 2004
pT4a(mf)pN2a (5/6) M1 G1-2 ER 80% PR 80% C-erb Score 1+) Ablatio links, 6 Knochenmetas - Rezidive 2007 und 2009
Krebs ist nichts für Feiglinge. Krebs ist eine Erfahrung, auf die ich gern verzichtet hätte.
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