Thema: Kinderglauben
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Alt 29.11.2008, 23:04
Kristel Kristel ist offline
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Standard AW: Kinderglauben

Als ich 7 Jahre alt war, hatte meine Mutter einen Schlaganfall.
Die Kurzfassung:
Unglückliche Umstände im desolaten Gesundheitssystem der ehemaligen DDR, im Jahre 1967.
Fehlende Erstversorgung, verspätete Diagnose, Fehleinschätzung der behandelnden Ärzte.
Mein Leben als unbelastete Tochter war vorbei.
Die Angst sollte mich nie mehr verlassen….
Meine Mutti erholte sich, kam aus der Reha aber als eine Andere zurück.
Linksseitig gelähmt, Sprachstörungen, Wesensänderungen.
Meine „alte“ Mutti gab es so nicht mehr.
Von jetzt auf gleich für mich selbst verantwortlich.
Vater ging arbeiten.
Wir Kinder schmissen den Haushalt.
Ach egal, ist 1000 Jahre her!
Geblieben ist ein Gefühl von Trauer .
Und Verlassenheit.
Niemand sprach mit mir. Keiner hat mir die Wahrheit gesagt, mich vorbereitet.

Ich konnte nicht einschätzen, was ihre ständigen Krampfanfälle zu bedeuten hatten
Ich bin immer einfach weggelaufen.
Man musste mich suchen. Im Schlafanzug einfach weggelaufen.
Die Hände auf die Ohren und Augen gepresst fand man mich dann auf Dachböden oder in Grünanlagen.
Heute weiss ich nur noch:
P A N I K!
Mutti stirbt.
Hinterher dann:
„Ach ist doch alles nicht so schlimm! Da müssen wir uns dran gewöhnen. Schlechte Durchblutung.“
Wie kann sich ein 7-jähriges Mädchen daran gewöhnen, dass die Mutti von jetzt auf gleich einfach anfängt, die Augen zu verdrehen, Schaum vor den Mund bekommt und dann unter schlimmsten Zuckungen leidend, einfach umkippt?
Wie???
Ich weiss, man wollte mich schützen.
Und weil ich niemandem wehtun oder in Sorge versetzen wollte, habe ich nicht darüber gesprochen.
Ab meinem 7. Lebensjahr hing ein Todesurteil über meinem kleinen Köpfchen, über das ich mit niemandem sprechen konnte und das mich in Angst und Schrecken versetzte.
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