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Alt 25.02.2002, 12:14
Gast
 
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Standard Bauchspeicheldrüsenkrebs

Hallo Yuki!
Das Gefühl, von seiner Mutter schikaniert zu werden, kenne ich sehr gut. Mit 22 oder 23 Jahren habe ich es gewagt, nach der Arbeit am späten Nachmittag ins Kino gehen zu wollen (ich wohnte noch zu Hause). Ich habe vormittags telefonisch Bescheid gesagt und meine Mutter (Hausfrau ohne Hobbies) hat einen riesen Terz gemacht, wie sie so lange das Essen warmhalten soll. Mittags hat mich mein Vater, mein damaliger Chef, zur Sau gemacht wie ich es wagen kann meiner Mutter zu widersprechen. Ob ich trotzdem ins Kino gegangen bin weiß ich nicht mehr. Aber ich bin mit den üblichen drei Tagen tiefsten Schweigens gestraft worden. Ich habe noch ein paar Jahre gebraucht, aber dann hatte ich den Mut zu einer Gesprächstherapie, die mir sehr geholfen hat.
Ich kann Dir aus eigener Erfahrung nur raten, Dich jetzt von Deiner Mutter zu lösen. Du kannst sie nicht ändern sondern nur akzeptieren. Und Du darfst dich von ihrem Verhalten nicht schmerzen lassen, denn das wird Dich immer verfolgen, egal ob sie den Krebs hat oder nicht. Du liebst Deine Mutter und bist bereit zu helfen. Aber das kannst Du auch, ohne den Grund für ihr gemeines Verhalten bei Dir zu suchen.
Ich bin sicher, dass Deine Mutter auch in zwei Monaten noch leben wird. Bei meiner Mutter wurde im April 01 ein erhöhter Leukozytenwert festgestellt, der Krebs an der Bauchspeicheldrüse erst Ende August. Rechnet man von April an, so lebt sie also schon elf Monate mit dem aktiven Krebs. Aber so wie vielleicht auch Deine Mutter ahnt sie, das der Krebs oder die Chemo oder irgendwelche Folgen davon sie sterben lassen werden. Sie hat mir gesagt, dass ich nicht Schuld bin an ihrer Krankheit. Vor sechs Jahren noch hätte mich diese Absolution gefreut, denn ich war ständig Schuld an etwas. Heute weiß ich, dass es einfach ihr Lebensweg ist, anderen die Schuld zuzuweisen. Jetzt sind die Ärzte schuld, die sie falsch behandeln. Deine Mutter stellt sich auch die Frage: Warum ich? Und auf der eher hoffnungslosen Suche nach einer Antwort ist sie dann auch zu ihrer Umgebung ruppig bis ungerecht. Meine Mutter möchte, so wie niemand hier auf den Seiten, nicht sterben. Und ich selbst frage Gott oft genug, ob sie nicht noch ein wenig Zeit hat- die drei Jahre, bis der Kleine eingeschult wird, die fallen doch nicht auf bei so vielen Milliarden lebender Menschen. Und danach, können wir dann nicht neu verhalndeln? Noch etwas Lebenszeit dazugeben?
Die Antwort ist leider Nein. Was wir tun können ist, unsere Mütter jetzt zu lieben. Aber, auch wenn es schwer fällt, unsere eigene seelische Freiheit zu bewahren und selbst zu leben.

Liebe Yuki, ich hoffe Du kannst etwas mit meinem Schreiben anfangen.

Viele Grüsse, Nidra
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