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Alt 03.07.2008, 00:01
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Conny44 Conny44 ist offline
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Registriert seit: 31.12.2006
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Standard AW: Unschlüssig bei weiterer Vorgehensweise

Hallo Rudi,

deine Zeilen klingen sehr traurig. Aber ich kann sie nachvollziehen.
Ich möchte dir aber sagen, dass du keinesfalls ein „Weichei“ bist.
Ich habe die ganze Sch… erst bei meinem Papa, dann bei meinem Mann miterlebt. Mit 19 Jahren kann ich leider, leider nicht dienen …. hätte es mir aber sehr gewünscht.
Aber glaube trotzdem zu verstehen, wie es dir geht. Einerseits weißt du ganz genau, dass du dich selbst mit deinen Selbstvorwürfen zerstörst, andererseits kommen aber die Gedanken immer wieder auf, ob man will oder nicht. Das ist ein ewiger Kreislauf. Ich habe es selbst durch, aber in einer anderen Form. Ich musste aufgrund meines Hauptwohnsitzes, meiner Tochter und meiner Arbeit immer und immer wieder von Leipzig nach Berlin pendeln. Das heißt auch, meinen Mann immer wieder allein lassen – bis zum nächsten Mal (War allerdings auch monatelang krank geschrieben und trotz allem mehr in Berlin als in Leipzig). Wir beide waren todunglücklich darüber, aber ich hätte meine Arbeit aufgeben und meine Tochter vernachlässigen müssen, um diesem ein Ende zu setzen und nach Berlin zu ziehen. Das wäre ein großer Wunsch gewesen, den ich hätte meinem Mann erfüllen können. Das hat zwar nichts mit deinen Geschichte zu tun, aber ich sitze heute auch da und denke – hätte ich nur…… Aber dann würde ich heute ohne Arbeit dastehen und ohnehin wieder hier sein.

Ich denke, die Anklage, die du jetzt gegen dich führst, ist eine völlig normale Reaktion auf das ganze Geschehen. Selbst wenn du deiner Frau mehr zugehört oder ihren Kinderwunsch erfüllt hättest, gäbe es immer noch Dinge, die du aus heutiger Sicht der Krankheit dir vorgeworfen hättest. Jeder findet Dinge, die schiefgelaufen sind. Du darfst dir auch Vorwürfe machen, nur du wirst es nicht ändern können. Du kannst dir nur immer wieder sagen, damals hast du so gehandelt, wie du es zu diesem Zeitpunkt für richtig erachtet hast.
Versuche, wenn möglich, die Zeit jetzt zu nutzen, Sachen zu besprechen – schöne wie auch unschöne – und es besser zu machen. Aber das tust du ja, wie ich immer bei dir lese. Und ich denke, dass die nahen Angehörigen nicht minder belastet sind wie die Betroffenen. Nur das die Gedanken vielleicht unterschiedlich sind und natürlich wir nicht diese körperlichen Schmerzen - aber dafür ebenfalls seelische - haben. Wie oft habe ich versucht, mich in meinen Mann reinzuversetzen – aber das ist ein sinnloses Unterfangen. Es geht einfach nicht. Und ich habe festgestellt, dass ich mir teilweise viel mehr Gedanken – vorallem destruktive – gemacht habe, wie er selbst. Ich war viel weniger in der Lage, am normalen Leben teilzuhaben wie mein Mann. Bis ich dann – und das steht hier nicht im Forum – irgendwann selbst aus den Latschen gekippt bin, mein Körper und mein Geist spielten nicht mehr mit, es war einfach zu viel. Und heute, wo er leider nicht mehr ist, habe ich nach wie vor noch dieses „Krankheitsdenken“. Das ganze Leid, was mit dieser besch… Krankheit zusammenhängt, lässt sich einfach nicht in Worte ausdrücken.

Ich denke, du setzt dich selbst zu sehr unter Druck, so wie ich es damals auch gemacht habe und auch heute noch tue. Du kannst es einfach nicht fassen und schon gar nicht akzeptieren, dass deine Frau so krank ist. Wie denn auch??? Deine Lethargie ist ein Zeichen deines Körpers. Glaube mir, das habe ich auch durch. Mir haben auch alle immer gesagt, ich müsse an mich denken. Aber wie, das hat keiner gewusst, ich selbst auch nicht. Entweder es gibt sich von alleine oder du bzw. ihr solltet über psychologische Hilfe nachdenken. Denn wenn du jetzt die Zeit mit überflüssigen Gedanken – und die sind überflüssig, weil du kannst nichts rückgängig oder ungeschehen machen – vertust, wirst du – sorry, sollte es deine Frau nicht schaffen – nochmehr Vorwürfe an deine Adresse richten.

Wie sehr wünschte ich mir nur noch einige wenige Minuten mit meinem Mann, um dieses oder jenes zu besprechen, sich nochmal in den Armen zu liegen … und, und, und. Vergebens!
Du hast die Chance, nutze sie! Vergangenheit ist Geschichte, Zukunft ist Geheimnis, aber jeder Augenblick ist ein Geschenk.

Ich wünsche euch alles Liebe und viel Kraft, aber auch den Mut, Schwäche zu zeigen!
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Traurige Grüße von Conny (& Jörg - seit 15.5.08 nur noch in liebevollen Gedanken)

Ein Millionär und ein Bettler haben statistisch gesehen jeweils 1/2 Million!
Soviel zu Statistiken!

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mein geliebter Mann: BSDK 06.06.1959 - 15.05.2008
mein Pa: BSDK 17.01.1941 - 08.07.2007
meine Mutti: Akute Leukämie 18.11.1941 - 30.03.2011