Thema: Gedicht
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Alt 06.09.2003, 21:48
Gast
 
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Standard Gedicht

Hallo an alle

Ich hab da noch was. Ein Gedicht, mit dem ich sensibilisieren wollte für ein Schicksal jenseits des Krebs, das uns doch näher ist,als man erst denken mag. Ein Gedicht, das ankämpft gegen unsere manchmalige Überheblichkeit, alle Nöte jenseits von einer Krebserkrankung als Nichtigkeiten abzutun.
Manche hier werden es verstehen und andere vielleicht nicht. Ich schicke es nun trotzdem...
(Das Gedicht beruht auf einer authentischen Begebenheit)


Für ein bisschen Mitgefühl
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Es war einmal ein super Lehrer
er hatte unter seinen Schülern eine grosse Zahl Verehrer
und weil sein Unterricht gefiel
lernten wir bei ihm sehr viel.

Er setzte sich ein mit all seinen Kräften
für kompetente, motivierte Lehrlinge in den Geschäften
und hatte es einer von uns Schülern mal schwer
und brauchte jemanden zum Reden, dann war es auch er.

Sein Arbeitgeber, ein angesehener Betrieb
im zum Jahresende jedes Mal "von Herzen" schrieb:
'Sie sind ein hochgeschätzter Mitarbeiter,
wir freuen uns, machen Sie so weiter!'

Er genoss sein Glück, doch irgendwann vergeht es
es schreitet fort sein Diabetes
sein Augenlicht bald mehr und mehr schwindet
bis er eines Tages ganz erblindet.

Arbeitslos sass er nun zu Hause rum
die IV* ersetzte den Lohn, doch er, er kam dabei fast um
so ohne Beschäftigung konnt' er nicht sein
drum reichte er beim Ex-Arbeitgeber eine Bewerbung ein.

Er schrieb, er würde gern wieder etwas machen
irgendetwas, auch stupide Sachen
er hoffte so sehr auf einen positiven Bescheid
doch der Personalchef schrieb knapp: Es täte ihm leid.

Man sei keine soziale Institution
und rentieren müsste es ja schon
und unser Lehrer, einst geschätzt und vielgepriesen
erhält jetzt Bescheid:'Wir sind nicht auf Sie angewiesen!'

Man wünsche ihm noch alles Gute
unserem Lehrer war grässlich zumute
wie's ihm heute geht, das weiss ich nicht
es ist Jahre her, und doch ist dieses Gedicht
nicht Schnee von gestern, sondern mehr denn je aktuell
die Zahl derer, die so um die Stelle kommen steigt rasant schnell,
das einzelne Schicksal die Bonzen nicht schert
man ist als Mensch heut nichts mehr wert!

Wehren können wir Kleinen uns nicht
weder mit Streik noch mit diesem Gedicht
und doch hoffe ich, es wird nicht ganz sinnlos bleiben
in dieser Art seine Gedanken aufzuschreiben
innehalten in dem Hetzen
gegen die Sprachlosigkeit Worte zu setzen.

In der Hoffnung nur, es könnt' gelingen
den einen oder die andere zum Nachdenken zu bringen
und im Gedränge und Gewühl
wieder Sinn zu wecken für ein bisschen Mitgefühl.

Ladina, Januar 1998

(IV* bedeutet Invalidenrente)

Ich wünsche uns allen Mitgefühl zu finden und zu geben.

Liebe Grüsse
Ladina