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Alt 06.09.2003, 20:17
Gast
 
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Standard Motivation :-((

Hi, Antje,
hm, kleines Missverständnis. Wollte nicht Dich kritisieren, sondern die Worte "du sollst".
Die SIND nämlich ein Befehl. Oder klingen zumindest danach.
Wo klingt's für Dich hier besser? (Als Beispiel)
"Möchtest Du jetzt nicht schlafen?"
"Du sollst jetzt schlafen!"

Hab übrigens nichts davon erwähnt, dass man NICHT miteinander reden soll, im Gegenteil. Aber statt diesem ewigen "Du sollst" sind Fragen angenehmer zu ertragen.
Ich gebe auch nur meine "Erfahrungswerte" wider. Bin schliesslich Krebspatientin. (Seufz!)

Selbst Aufmunterungsversuche sind in einer Frage verpackt viel erträglicher. Immerhin hat man dann das Gefühl, für voll genommen zu werden, und dass man selber entscheiden kann.
Manchmal sind Motivationen auch in einer vorgelebten "Tat" selber schön. Wie mit dem Enkelkind in den Arm legen. (Hast Du ja auch getan.)

Klar ist jeder verschieden, aber das Selbstbestimmungsrecht ist am Ende bei jedem Menschen da. All zu viele "Du sollst" tun keinem gut. Schon gar nicht, wenn's einem schlecht geht. Diese "Du sollst" sind oft auch gedankenlos daher gesagt, obwohl die Worte gut gemeint sind. Aber glaube mir, wir Krebspatienten hören sie immer wieder mal. Und eigentlich hört's nie auf. Selbst wenn's einem nach Monaten oder Jahren wieder gut geht, dann heisst's: "Du solltest jetzt aber schon langsam darüber hinweg sein!"
Es ist ein Vorwurf, hörst Du's raus?
Und gleichzeitig ein versteckter Befehl, dass man jetzt gefälligst endlich mit dem Thema aufhören soll.
Helfen tut das einem Krebspatienten natürlich überhaupt nichts. Er fühlt sich höchstens noch schlechter, weil er sich nicht ernst genommen fühlt. Motivation ist das kaum. Es ist bloss eine Erwartungshaltung.
Auf diesen Satz hin kann sich der Krebspatient natürlich zusammenreissen, um dem anderen damit einen Gefallen zu tun. Aber geholfen ist ihm damit nicht. Seine Gefühle sind abgeschnitten, seine eigenen Worte, seine Gedanken und Ängste. Alles abgeschnitten. Alles, was er hat raus lassen wollen.
"Du solltest jetzt aber schon langsam darüber hinweg sein!"
Er fügt sich. Redet sich vielleicht noch ein, der andere habe ihn aufgemuntert?

An dieser Stelle wäre einfach Zuhören angesagt. Das wäre viel hilfreicher. Verständnis durch's Zuhören erfahren. Wenn ihm zugehört wird, möchte er vielleicht von selbst wieder eine Aufmunterung und Ablenkung, indem er den ersten Schritt dazu tut.
Oder aber er freut sich über Kleinigkeiten, die ihm der Zuhörer nachher schenkt; ein Eis, eine Tasse Kaffe, ein Buch, oder eine ganz andere Alltagsgeschichte, die man ihm erzählt. - Wichtig ist ihm am Ende, dass man ihm zugehört hat und ihn somit ernst nimmt. Vielleicht hat er erst dadurch nützliche Tips und Vorschläge vom anderen erfahren dürfen? Indem man ihm mal so richtig zugehört hat?

Der Mensch, und all die Situationen sind natürlich immer verschieden und jeweils ganz anders, da hast Du schon recht. Doch selbst, wenn man glaubt, den kranken Menschen sehr gut zu kennen, ... so lernt man ihn eben fast neu wieder kennen, wenn so eine Krankheit wie Krebs da ist. Nicht, dass er da jetzt plötzlich ein "anderer" geworden ist, aber ... manchmal können Seiten in ihm hervor kommen, die man noch gar nie so an ihm gesehen und erlebt hat.
Manche werden sehr schnell wütend und ungeduldig, andere wiederum werden still und nachdenklich. Manchmal kommt eine Kämpfernatur zutage, wie man sie noch nie gesehen hat. Manchmal hat man auch alles zusammen, im ewigen Auf und Ab.
Manchmal erträgt man ein "Du sollst".
Manchmal kann man es nicht mehr hören.


Jetzt hab ich wieder mehr Zeilen geschrieben, aber vielleicht hilft's Julia ja auch ein bisschen.
War also kein "Angriff" auf Dich, Antje, gell? Mich macht dieses ewige "Du sollst" eben so müde.

Bis dann und liebe Grüsse
von der "krassen" Brigitte
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