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Alt 12.03.2008, 02:48
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HelmutL HelmutL ist offline
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Registriert seit: 03.03.2007
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Daumen hoch AW: Partnerschaft/Familie

Hallo zusammen,

vielleicht beginne ich am besten so: 1998 wurde bei mir ein Gehirntumor festgestellt, Gott-Sei-Dank mit Medikamenten zu beherrschen. Trotzdem Beruf adé, Zum Glück vor dem 1.1.2000. Meine Frau war immer bei mir, hat sich grosse Sorgen gemacht und auch sehr viel Angst um mich gehabt. Ich Dödel hab das zu Anfang noch nicht einmal so richtig mitbekommen. Trotzdem hat uns die Geschichte wieder einander näher gebracht. Eine 25-jährige Ehe ist halt nicht mehr so ganz frisch.

8 Jahre später dann meine Frau: IMC. Uns war nicht sofort die Gefährlichkeit dieser Variante klar. Zuerst mal Chemo, relativ gut vertragen, hauptsächlich Haarausfall. Eine gute Perücke hat's verdeckt, niemand merkte was. Nur die Familie und die besten Freunde waren eingeweiht. Niemand hat sich gedrückt, im Gegenteil. Dann Ablatio rechts. 25 Bestrahlungen, Herceptin. Anlatio links. 25 Bestrahlungen. Studie mit Lapatinib und Xeloda erfolglos abgebrochen. Gehirntumor wird stereotaktisch bestrahlt. Weiter mit Xeloda und Herceptin. Im Dezember 07 wird ein Pleuraerguss festgestellt, erfolgreiche Verklebung Mitte Januar abgeschlossen. Es geht aufwärts. Mitte Februar neuerliche Atembeschwerden, am 23.02 Notarzt, am 24.02.08 auf der Intensivstation friedlich und ohne Schmerzen an neuerlichem Pleuraerguss in Begleitung ihrer Familie verstorben.

Was sich hier in wenigen Sätzen so leicht liesst ist eine Horror-Geschichte. Unter uns gesagt: heute kann ich verstehen (allerdings nicht akzeptieren), wenn der Partner das nicht ertragen kann. Du möchtest weglaufen, schreien, weinen um dich schlagen. Du kannst es nicht. Es gibt da einen dünnen, zarten Faden, der dich zurückhält ..... man nennt es auch Liebe.

Am Anfang suchte ich mich kreuz und quer durch's Internet, da muss es doch was geben. Löcherte Ärzte mit meinen Fragen. Dann kam langsam die Angst. Hoffentlich merkt es meine Frau nicht. Immer geht sie in Begleitung zum Arzt (vier Ohren hören mehr als zwei), ebenso zu jeder Chemo, jeder Bestrahlung. Im Krankenhaus melde ich mich als Begleitperson an. Sie ist nie allein. Der Prof prägte den Ausdruck: "Die gibt es nur im Doppelpack". Übrigens kein "Halbgott in Weiss" sondern ein Mensch wie du und ich.

War es Bestimmung, meine Krankheit. Wir haben über alles mögliche gesprochen. Darüber, dass sie es soweit geschafft hat (ich habe sie nie zu irgendwas gezwungen, immer war es AUCH IHRE Entscheidung, nicht immer war ich einverstanden) weil ich bei ihr sein konnte. Über den Tod, was ist danach. Wie geht es weiter? Auch mit mir! Im Fall des Falles war sogar die Beerdigung schon genaustens besprochen.

Wem wollt ihr das zumuten???

Habt ihr schon dem geliebten Menschen die Hand gehalten wenn er sich die Seele aus dem Leib hustet? Wenn er schweissgebadet nach Luft ringt? Wenn er bis auf Haut und Knochen abmagert? Wenn er dich um Hilfe anfleht? Wenn die Augen immer leerer werden? Du sitzt hilflos davor und kannst nur noch beten? Wenn überhaupt! Schlaf nur noch im Halbstundentakt?

Sicherlich hat man sich am Traualtar ein gegenseitiges Versprechen gegeben. Doch, Hand auf's Herz, wer konnte sich damals sowas ausmalen? Du vielleicht?

Hat jemand von euch schon mal bei den Männern vorbeigeschaut?

Ich will mit meinem Beitrag niemandem zu nahe treten. Mein Beitrag soll nur zum Nachdenken anregen. Vielleicht ändert sich dadurch die Betrachtungsweise ein bisschen. Wir dürfen doch nicht gegeneinander sondern müssen vielmehr füreinander dasein. Nur gemeinsam sind wir stark.


Ich wünsche euch allen von Herzen viel Kraft und Gottes Segen

Helmut
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