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Alt 31.05.2003, 00:58
Gast
 
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Standard das soll es nun gewesen sein

Liebe Marga,

mein Papi ist heute Abend hinter den Regenbogen gezogen zu meiner Mama.
Ich bin total durcheinander. Irgendwie meine ich manchmal, der Papi, wie ich ihn immer kannte lebt noch und ein Teil von ihm wäre nur gestorben. Manchmal bin ich erleichtert, dass er die Qualen hinter sich hat. Aber dann wieder wird es so schmerzhaft und realistisch, dass er nun nie mehr anruft, ich ihn nie mehr anrufen kann. Kann ihn nun nicht mehr in die Arme nehmen, seine warme Hand spüren oder sein verschmitztes Lächeln sehen. Die Welt dreht sich weiter, und ich erfahre nicht mehr seine Meinung zum Tagesgeschehen in der Welt.
Seine persönlichen letzten Ratschläge habe ich mir notiert. Ich konnte damals vor ein paar Wochen zwar noch nicht wissen, dass es definitiv bald zu Ende gehen wird und es die letzten sein sollten. Aber es war eindeutig, dass er sie mir mit auf den weiteren Weg geben will, sollte er doch sterben. Und nun ist er fort, wird aber immer bei mir sein und in mir weiterleben. Es wird die kommenden Wochen, Monate ziemlich schwer werden. An meinem Geburtstag sind wir immer spazieren gegangen in einem Park und haben die Blumen angeguckt. Auch mein Vater liebte die Natur, Blumen und fand Rosen besonders schön. Wieder eine Parallele zu Deiner Situation. Es gibt hier so viele Orte und Dinge, die mich immer wieder traurig machen werden, die mich an ihn mit aller Härte erinnern. Hoffentlich werde ich stark genug sein, nicht an jeder Ecke in Tränen auszubrechen. Aber ich habe Angst, wie es mit der Trauerarbeit wohl so gehen wird. Denn es gab schon genug, was mich traurig machte, wenn ich an Mami erinnert wurde. Manchmal habe ich z.B. die Orte auch aufgesucht in den letzten Jahren, welche mich an sie erinnern. Ich bin ihr dann wieder besonders nah. Aber es machte mich trotzdem traurig. Und nun mein Vater. Habe gestern zu Papi gesagt, dass ich ihn lieb hab und er der beste Papa ist. Es wurde uns vom Schicksal ein liebevoller Abschied gegönnt. Dafür bin ich dankbar, denn ich weiß, wie es ist, wenn man dazu keine Gelegenheit erhält (als Mama so plötzlich weg war).
Ich habe mir Dein Mail aufmerksam durchgelesen. Die Menschen rühren in Deiner Wunde, ohne es zu wollen oder zu merken, wenn sie immer wieder davon anfangen . Kann es mir schon vorstellen, dass die Verarbeitung des Verlustes so nicht leichter wird. Man braucht zwar jemanden zum reden und austauschen. Aber es muß auch möglich sein, mal wohin zu gehen und dann entweder im Inneren selbst seinen Gedanken ganz privat nachzuhängen ohne Angst haben zu müssen, gleich wird wieder alles betont und besprochen.

Meinem Papi habe ich beréits vor einigen Wochen versprechen müssen, nicht mehr so viel zu lernen,wie ich es bisher für den Kurs tat. Er fand, ich war zu verkrampft und habe das Leben gar nicht mehr genossen. Ich habe da erkannt, dass Ehrgeiz, wenn man ihn übertreibt, die Lebensqualität sehr einschränkt und dass es nicht immer die beste aller Noten sein muß. Wie mir mein Vati sagte, das Leben ist zu kurz dafür. Dann einmal, hat er mir dann unter Tränen gesagt, er sei stolz auf mich, dass ich trotz dieser Belastung weitergemacht habe und mich bloß nicht mehr so fertigmache mit der Lernerei. Also dass ich einen guten Mittelweg gefunden habe. So schwer es manchmal auch war. Morgen werde ich die Prüfung (ein Drittel der Abschlußnote) mitschreiben, Papi wäre enttäuscht gewesen, wenn ich es ´nicht tun würde. Ich hoffe, er sieht es "von oben", und begleitet mich weiter mit seinem Karma.

Habe Angst vor der Beerdigung. Wir waren gemeinsam auf so vielen Beerdigungen, und nun soll es seine sein. Das gibt es doch gar nicht.
Ich bin total durcheinander.
Jetzt versuch ich mal zu schlafen, 2 Baldrian und eine halbe Std. fernsehen, dann klappts hoffentlich.

Sei ganz lieb gegrüsst!
Lena
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