Einzelnen Beitrag anzeigen
  #76  
Alt 21.04.2003, 09:13
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard schlimme gedanken

Mörgelchen Jutta,

ja, so in etwa meine ich es auch. All jene Fragen, die Du oben aufgeführt hast, gehören zum "sachlichen" Denken, oder man kann auch sagen, so wie wir hier unsere Gedanken aufführen, sind es auch sachliche Gedanken.
(Sind übrigens gute Fragen, die Du aufgezählt hast.)

Das mit dem "sachlichen" Denken meine ich nicht so, dass man sich hinsetzt, und einfach einen "Schalter" drücken kann, um die Gefühle abzuschalten. Und natürlich ist es individuell verschieden, in welcher Form man das machen kann. Vielleicht mag es der eine lieber, wenn er es in einer Art Medidation macht? Immer wieder?

Bei mir klappt's eben noch recht gut mit dem Schreiben. Aber bei mir liegt das Schreiben eben wohl auch so "im Blut", daher "fliesst" das schon mal recht gut.
Ich mache es meist so: Wenn mich eine Enttäuschung ernsthaft quält, ... dann schreibe ich das ganze Erlebnis einfach mal auf. Ins Tagebuch. Ich "erzähle" es meinem Tagebuch. Haarklein. Genau so wie ich es erlebt und empfunden habe. Mit meiner ganzen Wut und meinem ganzen Geschimpfe! (Boh-eh, das darf ich NIE jemandem in die Hände geben! Grins!)
Das ist hier natürlich noch kein "Ausschalten" der Gefühle, sondern einfach ein "raus lassen", mit allen Empfindungen.
Und NACH diesem "Erzählen" fühle ich mich dann oftmals etwas erleichtert, auch wenn das Problem noch nicht verschwunden ist.
Aber meine Verletzung ist ja natürlich noch immer da, die ist nicht weg. Also beschäftigt es mich noch immer, und ich wälze mich noch immer in meiner Wut und meinem Schmerz.
Also gehe ich später nochmals hinter mein Tagebuch, und schreibe meine neuen Gedanken auf, jenes, was mir hinterher AUCH noch in den Sinn gekommen ist, durch die Wut, durch den Schmerz.
Das ist WIEDER kein "Abschalten" der Gefühle, aber das macht nichts.

Jetzt kann ich das zwei oder dreimal so ins Tagebuch schreiben, irgendwann gehen mir die "Gedanken" aus, weil ich alles, was mir einfiel, ja schon aufgeschrieben habe.

Also lese nochmals alles durch. (Durch das "Rauslassen" konnte ich ein bisschen Luft schnappen und Abstand vor dem Problem gewinnen.) Beim Durchlesen jedoch merke ich, dass da WIEDER die Gefühle, die Wut und der Schmerz hochkommt. Aber ... da kommen plötzlich neue Fragen auf. Nämlich genau jene, die Du Jutta, oben aufgeführt hast. (Oder so ähnliche. Vielleicht auch nur einzelne.)
Jetzt kann ich mich schriftlich mal mit EINER Frage beschäftigen und schreibe DAZU meine Gedanken auf. Z.B. die Frage: "Wovor habe ich eigentlich Angst?"
Dabei merke ich plötzlich, ... dass ich viel "sachlicher" werde! Ich konzentriere mich auf diese Frage und "entdecke" noch ganz anderes, was mir vorher beim "Erzählen" gar nicht aufgefallen ist.
Ich kann da nämlich auf die Frage "Wovor habe ich eigentlich Angst?" sachlich antworten: "Naja, ich habe Angst vor diesen ewigen weiteren Verletzungen und dass sich nie was ändert!"
Darauf kann ich mir die nächste sachliche Frage stellen: "Was kann ich tun, damit es aufhört?"
Hier suche ich dann ganz automatisch und sachlich nach Lösungen. Ich fange an (schriftlich) aufzuzählen, das ich dies tun könnte, oder jenes ...

Das muss nicht bedeuten, dass sich gleich ALLES ruckzuck ändert, aber es ist ein guter Weg.
Wenn dann ein bisschen Zeit verstrichen ist (wobei ich dann sagen darf, ich habe mich schon mal intensiv mit meinem Problem beschäftigt), ... so merke ich eines Tages, dass ich diese Situation auch mal aus der Sicht eines "Fremden" ansehen kann. (Eventuell, wenn ich später wieder mal diese Tagebuchseiten durchlese.)
Dabei fällt es mir dann viel leichter, mir vorzustellen, ich wäre ein "Dritter", ein "Fremder", welcher diese Situation betrachtet. Und dabei geht es dann NOCH sachlicher zu! - Hier habe ich die Chance zu erkennen, zu verstehen, und auch ... zu verzeihen.

Weisst Du, wie ich meine? Es ist ein "langsames" Übertreten in die Sachlichkeit. - Deswegen ist es mir nie richtig bewusst geworden, DASS ich es überhaupt tue.
Und wenn man EINMAL mit einer "sachlichen" Sicht angefangen hat, fällt es einem leichter, es beim nächsten mal genau so zu machen.

Steinchen für Steinchen, ... genau so, wie Du sagst, Jutta. ;-)

Aber auch wenn man sich oft mit den "Problemen" seiner Mitmenschen beschäftigt, lernt man irgendwie diese "Sachlichkeit". Damit meine ich nicht, dass man sich da bei anderen "einmischen" muss, aber wenn man es übt, und sich über die Probleme anderer in Ruhe seine Gedanken macht, so kann man diese Sachlichkeit sehr gut üben.
Sachliches Nachdenken über zwei Menschen z.B., die grosse Probleme miteinander haben. Natürlich kann ich niemals ALLES zu 100% von den beiden wissen, aber ich versuche, OHNE Vorurteile die Situation der beiden einzuschätzen.
Vorurteile dürfen nicht da sein. Die stören sofort jedes sachliche Denken. Vorurteile kommen wieder von den Gefühlen her.
Und dann versuche ich, eine Lösung - ganz für mich alleine in Ruhe - für die beiden zu finden. Das ist sachlich.

Das ist auch ein guter "Einstieg" für die eigenen Probleme, die man hat.


Hui, meine sachliche Philosophie am Ostermontag!
Was meinst Du dazu, Jutta?

Liebe Ostergrüsse an Euch alle
von der "krassen" Brigitte
Mit Zitat antworten