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Alt 27.01.2007, 21:38
Stefans Stefans ist offline
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Registriert seit: 27.01.2007
Beiträge: 425
Standard AW: Vorstellung - nach 15 Tagen...

Hallo,

erstmal vielen Dank an alle für die herzliche Begrüßung!

Was meine ausgiebige Quasselei betrifft: ich komme mir im Moment halt vor wie jemand, der nachts allein durch den dunklen Wald wandert. Da muss man manchmal eben laut vor sich hin pfeiffen, um sich Mut zu machen und die bösen Gedanken zu vertreiben.

Denn auch, wenn ich sonst eher rational bin und immer alles (auch das Schlimmste) sofort wissen will... wenn ich mich gerade ernsthaft mit Statistiken zu Heilungserwartung und Mortalitätsraten bei BK befassen würde, könnte ich zu dem Schluß kommen, dass meine Frau und ich uns am besten gleich vor den nächsten Zug werfen, um uns die 'statistischen' Restlebensjahre, die ihr noch bleiben, zu ersparen. Und soweit darf es nicht kommen.

Zitat:
Zitat von Heike 1963 Beitrag anzeigen
kann wirklich nicht angehen, das wir mit unserer Krebsgeschichte auch noch die anderen trösten müssen. Ich habe während meiner Therapie konsequent und in direkter Art den Leuten meine Meinung gesagt und wenn es nicht fruchtete, den Kontakt abgebrochen.
Das handhaben wir hier auch so. Mit Freunden ist das auch kein großes Problem, mit denen können wir schon Klartext reden. Den Kontakt abgebrochen habe ich zu meiner Schwiegermutter. Die konnte ich mit ihrer mütterlich-religiös-fürsorglichen Tragik wirklich nicht mehr ertragen. Zumal sie grundsätzlich _täglich_ anruft mit immer dem gleichen "Gibt es was Neues?" und "Ach, das wird schon wieder alles gut!". Ich war öfter mal kurz davor, die am Telefon anzuschreien. Statt dessen habe ich mich nochmal zusammen gerissen und das kurzerhand an meine Schwägerin delegiert. Ich drücke bei Schwiegermutters Anruf jetzt grundsätzlich auf den 'Anruf abweisen'-Knopf (Dank sei der modernen Technik!). Und dann soll eben ihre Tochter ihr erklären, warum das so ist.

Zitat:
Zitat von Blauerschmetterling Beitrag anzeigen
scheinst Du alles im Griff zu haben und gönnst Dir auch Entspannungspausen, die Du dringend nötig hast
'Alles im Griff' ist natürlich relativ. Im Moment scheint es so. Wobei ich die letzten Tage wirklich auf dem letzten Loch gepfiffen habe - und heilfroh bin, dass ich jetzt erstmals seit 14 Tagen ein 'freies' Wochenende habe. Wo ich nur das Bad putzen, die Vogelvoliere saubermachen, die Wäsche erledigen und den Hund striegeln muss. Und nur mit den Leuten telefonieren, mit denen ich das wirklich will und gerade gebrauchen kann. Für die Zukunft muss ich bald mal schauen, dass ich mit ein paar Bier und ein paar Schachteln Kippen weniger täglich auskomme. Sonst wird das nichts.

Zitat:
Es können Tage kommen, da wird die seelische Belastung zu viel und sie fällt in ein tiefes Loch, muss aber nicht sein. Spreche aus eigener Erfahrung. Da hilft dann, nie die Hoffnung zu verlieren und versuchen, positiv zu denken.
Das kriegen wir schon hin ;-) Zu unserer gemeinsamen Lebenserfahrung gehört auch, dass wir beide seit langem chronisch depressiv sind. Und erst seit relativ wenigen Jahren dank gut eingestellter Psychopharmaka ein 'normales' Leben führen. An das, was da vorher alles passiert ist, mögen wir gar nicht mehr denken. Jedenfalls war es öfter mal reichlich knapp, was das persönliche Überleben und das der Partnerschaft betrifft. Auch, wenn Krebs wieder ein ganz anderes Thema ist: wir haben wenigstens gelernt, dass es immer Hilfe gibt, wenn man sie nur sucht. Und dass nach einem beschissenen Jahr auch wieder ein gutes kommt. Irgendwann geht es immer wieder aufwärts. Und Mensch hängt letztendlich sehr am Leben, trotz aller Widrigkeiten ;-)

Zitat:
Das mit dem Therapiehund ist eine tolle Sache. Ich habe vor einigen Monaten einen Hund bekommen. Und dieses Kerlchen hat mir mein Lachen zurück gegeben, ein Lachen, das ich längst verloren hatte.
Jau. Unser Hund ist sein Gewicht (und das sind immerhin über 40 kg) in Gold wert! Sobald es einem von uns schlecht geht, ist er sofort da. Legt die Pfote auf's Bein, stupst mit der Nase und schleckert einen ab. Dabei ist er selbst ein armer Wicht: bevor wir ihn aus dem Tierheim geholt haben, war er von Geburt an viele Jahre isoliert im Zwinger und an der Kette. Misshandelt wurde er auch noch. Deswegen hat er ein paar schwere Macken, und er greift ausser meiner Frau und mir sofort jeden an, der unser Grundstück betritt. Und nix von wegen 'der tut nix'. Der tut wirklich was: nämlich sofort zubeissen :-/

Aber meiner Frau und mir gegenüber ist er der beste Hund der Welt, und er verteidigt uns mit Zähnen und Klauen (selbst, wenn es gar nicht nötig wäre ;-) Ich weiss es noch wie gestern, als wir im Tierheim waren. Man geht an Dutzenden von Zwingern vorbei und wird angekläfft. Aber er hat uns angesehen, das Gekläffe eingestellt... und ich habe darauf hin völlig gedankenlos meine Finger durch das Gitter gesteckt. Die Tierheim-Mitarbeiterin hat fast einen Herzinfarkt bekommen :-) Aber Hündchen hat meine Finger nicht gebissen, sondern sie gleich abgeschleckt... Und von da an war völlig klar, dass er zu uns gehört. Kann man eben nichts machen, wenn sich so ein Tier neue Halter aussucht - und er gehört nun 'auf Lebenszeit' zu uns :-)))

Zitat:
Zitat von Julie C. Beitrag anzeigen
der Auffassung, dass Haustiere eine sehr gute Therapie sind, sind hier viele Leute.
Merken wir täglich ;-) Unser Hund ist der treueste Gefährte, den man sich denken kann. Man ist nie allein. Und er zwingt einen zur Selbstdisziplin. Ob es regnet oder stürmt, ob man Grippe hat oder Kreuzschmerzen... Hündchen muss raus, und Mensch muss mit. Und oft merkt man dann, dass einem so ein bischen frische Luft auch selbst sehr gut tut :-)

Unser Giacomo ist ebenso wichtig. Das ist ein 40 Jahre alter Graupapagei. Seit 10 Jahren blind wie ein Maulwurf, mit einem halben Dutzend chronischer Krankheiten... ohne Klimaanlage überlebt der den Sommer nicht. Aber trotzdem ist er, wenn er nicht gerade mal wieder akut krank darnieder liegt, immer gut drauf. Im Ernst: der hat für uns wirklich eine 'Vorbildfunktion'. Der nimmt das Leben, wie es kommt, und macht das beste daraus. Dabei ist ihm das Wichtigste genommen, was es für einen Vogel gibt: Fliegen. Aber was der 'zu Fuss' und kletternd alles meistert, ist absolut phänomenal. Wenn man den mal sucht, hockt er wahrscheinlich wieder auf dem höchsten Regalbrett im Zimmer... und man fragt sich, wie er da jetzt bloß hingekommen ist :-)

Das verrät er uns zwar nicht. Aber wenn der was will, hat er endlose Energie und stundenlange Geduld. Und wenn er mal mal wieder 'abstürzt' und auf die Nase fällt, kommentiert er das nur mit einem "Oh!"... und startet sofort einen neuen Versuch ;-) Und was der kann, das werden wir doch wohl auch noch können! Wo kämen wir denn hin, wenn wir uns als Menschen von 420 g Federknäuel vormachen lassen müßten, was Lebensmut ist :-)

Viele Grüße,
Stefan
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