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Alt 03.04.2003, 23:14
Gast
 
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Standard Bauchspeicheldrüsenkrebs an seltener Stelle

Hallo zusammen!

Zunächst einmal alles gute für Euch und Eure Angehörigen! Nicht aufgeben!

Liebe Christa:
Faustgroßer Tumor hört sich für mich sehr groß an, bei meinem Vater war er ca. 6 cm groß; bis zu 2-3 cm gilt wohl als operabel. Ich bin auch kein Fachmann, habe aber in einer wochenlangen, verzweifelten Recherche keine anderen Informationen gefunden, als die, dass BSDK ab einem gewissen Stadium einfach nicht mehr zu operieren ist.
Leichte Chemo? Es gibt nach aktuellem Forschungsstand nur wenige Medikamente, die u.U. eine Wirkung zeigen (Gemzar, evtl. Cisplatin,...); möglicherweise bekommt Deine Mutter einfach eine niedrige Dosierung dieser Wirkstoffe.
Schmerztherapie ist sehr wichtig. Wenn nicht das wichtigste von allem. Bei der Behandlung des Tumors gibt es wohl nur sehr wenige Alternativen, wenn nicht operiert werden kann, wie erwähnt, stehen nur wenige Medikamente zur Auswahl. Wer einen BSDK-Tumor hat, bekommt allerdings früher oder später starke Schmerzen. Das muss nicht heissen, dass sich die Krankeheit im Endstadium befindet, dass es hoffnungslos ist oder ähnliches. Aber ich habe bei meinem Vater gesehen, wie er sich über Jahre (vor der Diagnose) gequält hat und wie wenig Schmerzmittel helfen, die man rezeptfrei in der Apotheke bekommt. Ich habe auch gesehen, wie schwer sich viele Ärzte mit einer angemessenen Schmerztherapie tun. Meine Vater hat immer wieder Tropfenkombinationen bekommen, die ihn einerseits extrem müde und niedergeschlagen gemacht haben, geradeso, als ob man ihn nur noch bis zu seinem Ende ruhig stellen wollte, die ihm andererseits aber nur die "Schmerzspitzen" genommen haben, wie er sagte, dass heisst er hatte permanent Schmerzen.
Viele Ärzte tun sich schwer damit, stärkere Schmerzmedikamente zu verabreichen. Diese bestehen meistens aus Morphinen, d.h. Morphium-ähnlichen Stoffen, was schlimm klingt, aber im Endeffekt nur bedeutet, dass es ein effektives Schmerzmittel ist und u.U. süchtig machen kann. Aber haltet Euch folgendes vor Augen: Wenn Euer Angehöriger die Krankheit überleben sollte, wird er eine Art Entziehungskur durchmachen müssen, dafür hatte er kaum Schmerzen während seiner Krankheit. Wird er länger überleben, wird er noch eine längere Lebens- und vielleicht auch Leidenszeit vor sich haben, dann ohne allzu große Schmerzen. Geht es bereits zu Ende, dann wird es ein Ende ohne Todesqualen sein. Ich muss noch erwähnen, ich bin jemand, der sich bei jeder Aspirin genau überlegt, ob ich sie nehmen soll oder lieber doch nicht, aber ich habe gesehen, wie schlimm Tumorschmerzen sein können. Meiner (indirekten) Erfahrung nach helfen Schmerzpflaster am besten, (z.B. Fentanyl), diese gibt es in vielen unterschiedlichen Dosierungen, so dass nicht gleich mit einem absoluten "Hammer" begonnen werden muss. Morphine beeinträchtigen u.U. die Darmfunktion, so dass es zu Verdauungsstörungen kommen kann, deswegen muss man abwägen und deshalb sind (meiner Information nach) die Ärzte auch sehr vorsichtig damit, aber wenn beispielsweise der Patient sowieso nur noch wenig essen kann, ist das meiner Meinung nach das geringeere Übel als unerträgliche Schmerzen.

Offenheit, soweit möglich, halte ich persönlich für sehr wichtig. Auch ich musste es mitmachen (bzw. habe es mitgemacht), meinen Vater ein Zeit lang anzulügen und im Nachhinein kann ich sagen, dass es weder mir, noch ihm geholfen hat. Ich finde, alles, was die Ärzte wissen, sollten sie den Angehörigen UND dem Patienten mitteilen. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass man die Hoffnung aufgibt, nur weil es schlecht aussieht, aber man ist notfalls zumindest darauf gefasst, soweit das überhaupt möglich ist. Ich finde das besser als sich bis kurz vor Schluss Illusionen hinzugeben, ganz am Ende spürt man es doch und wenn der Arzt mit der Beruhigungspritze kommt, weiss man vermutlich, was er macht...
Entschuldigt bitte, ich habe mich sehr in Details verrannnt.
Gelbe Augen? Wasser im Körper? Das sind sicherlich schlechte Anzeichen, ob aber für das Endstadium, das kann man so nicht sagen. Frage GENAU und PENETRANT bei den behandelnden Ärzten nach. Gelbe Augen zeigen den Beginn einer Unterfunktion (und evtl. Versagen) der Leber an. Das kann direkt von den Metastasen herrühren (sehr schlecht) oder aber häufig davon, dass der Primärtumor den Gallengang zudrückt. In diesem Fall kann u.U. ein Stent (kleines Kunststoffröhrchen) in den Gang oder ein externer Ausgang gelegt werden, was der Leber zumindest für eine geweisse Zeit Erleichterung bringt und sie wieder funktionieren lässt.
Chemotherapie abgebrochen? Ich bin kein ausgesprochener Freund von Chemos. Mein Vater ist vier Tage nach BEGINN seiner Chemo gestorben. Aber ein Abbruch auf Grund von Metastasen? Das ist definitiv Unsinn. Gemzar (das am häufigsten verwendete Mittel), hat auf den Primärtumor in der Regel nur aufschiebenden Enfluss, kann aber oft (nicht immer) die Metastasen zurück drängen. Wenn Deine Mutter sich allerdings "nicht wohl gefühlt" hat, bzw. wenn es ihr womöglich sehr schlecht ging, dann hat es Sinn, die Chemo zu beenden, bzw. zu unterbrechen. Ab einem gewissen Stadium scheint es sinnvoller zu sein, auf die Nebenwirkungen zu verzichten und der Krankheit ihren Lauf zu lassen.
Noch einmal:
Frag' die Ärzte, quetsch sie aus, nerv' sie! Vielleicht begreifen sie irgendwann, dass wir (und v.a. die Patienten) nicht nur gesetzlich versichertes Bezahlvieh sind, sondern Menschen, die zumindest ein Recht darauf haben, ordentlich aufgeklährt zu werden.
Und lass bloß nicht den Kopf hängen!

Mimi:
Die Müdigkeit an sich würde ich nicht als (allzu) schlechtes Zeichen ansehen. Nicht unbedingt für das Endstadium. Bei meinem Vater war es (zumindest im Nachhinein) ein Zeichen dafür, dass er Krebs hatte. Er war sein ganzes Leben über immer ein sehr agiler, energiegeladener Mann, mit Ausnahme der letzten zwei, drei Jahre. Der Fachausdruck lautet wohl "Fatigue"- Offensichtlich kommt es bei Krebspatienten häufig zu starker Müdigkeit, unabhängig, ob Endstadium oder nicht.
Hohes Fieber und schlechte Blutwerte? Frag' die Ärzte! Du verstehst sie nicht im Detail? Frag' sie noch einmal! Und wieder und wieder und wieder...
Es kann bei Krebspatienten (gerade während der Chemo) sein, dass sie anfälliger gegen Infektionen werden, das muss beobachtet werden, es kann aber auch sein, dass wie bei meinem Vater eine Woche lang nach vermeintlichen Ursachen für die Infektion gesucht wird, bis dann gesagt wird (Stunden vor seinem Tod), das war schlicht und ergreifend der Tumor, der das Blutbild so extrem verändert hat und man konnte nichts mehr machen...
Nochmal die Zusammenfassung meiner Erfahrungen: Die meisten Ärzte unterlassen nichts lebenswichtiges und setzen alle bekannten Behandlungsmethoden ein. Aber: Alles, was nebenher abläuft, sollte von Angehörigen genau beobachtet, hinterfragt und gegebenenfalls kritisiert oder auch unterstützt werden. Um alles was Schmerztherapie, künstliche Ernährung, Thrombosevorbeugung, Bestimmung des Stadiums der Erkrankung, physische Behandlung des Patienten u.ä. betrifft, sollten sich die Angehörigen kümmern, soweit das unserem Laien-Verstand möglich ist. Ansonsten kann man durchaus einige böse Überraschungen erleben. Und meine Erfahrungen rühren nicht aus einem kleinen Kreiskrankenhaus (obwohl die nicht schlechter sein müssen), sondern aus der Uni-Klinik Tübingen.

Ich habe mich wohl ein wenig (zu) ausführlich ausgelassen, entschuldigt bitte.
Genrell kann man (ausnahmsweise VERBINDLICH) sagen, dass es wichtig ist, mit den Betroffenen zu reden und auf sie einzugehen. Wenn sie ihre Ruhe haben wollen, dann lasst sie ihnen, wenn sie über Banalitäten reden wollen, dann redet über Sport, Lokalpolitik oder darüber, was Euer Nachbar letzte Woche angestellt hat; Wenn Euer(e) Vater/Mutter über die Pläne für nächstes Jahr spricht, dann blockt das nicht ab, verdrückt die Tränen und geht darauf ein. Ihr müsst ja nicht gleich euphorisch werden, aber ihr solltet (auch für Euch) die Illusion behalten, dass es vielleicht doch länger gut geht als die Ärzte sagen - ohne zu vergessen, wie es vielleicht kommen kann.
Auch für mich waren die Besuche bei meinem Vater eine harte Zeit (auch wenn ich, in diesem Fall zum Glück, noch keine eigene Familie habe), aber im Nachhinein bin ich froh über jede Minute, die ich mit ihm verbracht habe und ich werde wahnsinnig wütend über jeden Augenblick, den ich mich geärgert habe, wenn mein Vater schlechte Laune hatte und uns auch manchmal angefahren hat - was allerdings nur gegen Ende vorkam, da er tatsächlich eine Seele von Mensch war, der nie jemandem auf die Füße treten wollte.
Also, letzte Zusammenfassung (versprochen!):
Tretet den Ärzten auf die Füße, sie werden dafür bezahlt, wurden von unseren Steuergeldern dafür ausgebildet und sind nunmal die einzigen Ansprechpartner UND
seid für Eure Angehörigen da. Seid bei ihnen, wenn sie Gesellschaft brauchen, lasst sie in Ruhe, wenn sie eswollen und seid vor allem ehrlich zu ihnen.

Viele Grüße,
viel Kraft,
Gerd
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