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Alt 09.01.2007, 00:14
Kerstin Kerstin ist offline
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Registriert seit: 24.09.2004
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Standard AW: Warum Antibiotika?

Hallo Kathrin,

ich habe deine Beiträge eben gelesen und ich kann dein Gefühlschaos, deine Traurigkeit, deine Hilflosigkeit und deinen Drang allen helfen zu wollen sehr gut verstehen. Ich dachte anfangs auch, ich müsse stark sein. Für meine Mom da sein, meine Verwandtschaft trösten und sie über die Krankheit aufklären usw. Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich keine Kraft mehr hatte. Ich konnte wie du nicht mehr schlafen, war unheimlich gereizt und bin zum heulenden Elend geworden, wenn ich alleine war. Ich habe mich unverstanden gefühlt und wurde zum Ekelpaket. Einzig meiner Mom gegenüber war ich Ansprechpartner und verständnisvoller Zuhörer. Irgendwann habe ich kapiert, dass ich nicht einfach funktionieren muss, dass ich sehr wohl Gefühle zeigen darf, meiner Mom gegenüber und auch meiner Familie gegenüber. Warum ich mit meiner Angst so lange hinter dem Berg gehalten habe, verstehe ich bis heute nicht. Die einzigen, die sich auf den Schlips getreten fühlten, waren meine Geschwister, da ich für sie nicht mehr immer ein offenes Ohr hatte. Sie sind aber erwachsen und gesund und sollen bitte selbst schauen, wie sie damit umgehen. Es ist nicht meine Aufgabe, ihnen zu helfen. Heute zählt für mich nur, dass es meiner Mom gut geht und ich tue alles, was in meiner Macht steht. Ich möchte mir eines Tages nicht den Vorwurf machen müssen, nicht alles mit ihr geredet zu haben und nicht alles getan zu haben. Sollte es morgen bei meiner Mom zu Ende sein – was ich nicht hoffe – so haben wir uns alles gesagt.

Kathrin, nutze diese schwere Zeit dafür, mit dir ins Reine zu kommen. Es ist schwer, ich weiß. Du darfst durch die Krankheit deiner Schwester nicht vor die Hunde gehen. Das Forum ist gut für den Erfahrungsaustausch und um sich mal so richtig hängen zu lassen, es darf aber nicht der einzige Ort sein, an dem du über deine Ängste sprichst. Du schreibst von deinem Mann, der mit der Situation nicht umgehen kann, von Bekannten, die du nicht ansprechen willst, weil es zu deiner Schwester kommen könnte. Mach dir Gedanken, warum dein Mann nicht mit der Situation umgehen kann. Oftmals kann ein Partner einfach nicht mit ansehen, wie man sich quält und macht Dinge, die man nicht verstehen kann. Rede offen mit ihm über deine Ängste und gib ihm die Möglichkeit, seine Gefühle zu zeigen.

Ich wünsche dir alle Kraft der Welt, diese schwere Zeit zu überstehen. Deiner Schwester wünsche ich, dass sie diesen arroganten Halbgöttern, die sie leider offensichtlich erwischt hat, ein Schnippchen schlägt. Sollte sie die Chance nicht haben, so hoffe ich, dass sie eine Schwester hinterlässt, die voller Stolz von ihr berichtet und die ihr beigestanden hat, mit Kraft und mit Gefühl.

Sei lieb gegrüßt
Kerstin
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Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist

Wir hatten ein kleines Wunder. Meine Mom hat dem Mistkerl fast 3,5 Jahre die Stirn geboten. Am 17.01.08 hatte meine Mom keine Kraft mehr zu kämpfen. Sie hat nun ihren Frieden und keine Schmerzen mehr. Ich bin stolz auf meine Mom.
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