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Alt 20.11.2006, 21:52
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waldi52 waldi52 ist offline
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Standard AW: Ende einer großen Liebe

Hallo ihr Lieben,
ich danke euch für eure mitfühlenden, herzlichen Worte. Es hat mir gut getan, dass ihr Anteil nehmt, besonders da jede von euch genau weiß, wie es sich anfühlt. Wie es ist, wenn man plötzlich wieder laufen lernen muss.
Heute war ich beim Bestatter. Meine Töchter haben mich begleitet. Alle drei hatten wir Angst vor diesem Gespräch, genauso wie wir Angst vor dieser Trauerfeier hatten, die es zu organisieren galt. Auf der anderen Seite hatten wir auch recht konkrete Wünsche, wie das Ganze nun aussehen könnte. Wussten nur nicht, ob es so zu verwirklichen ist. Denn die Beerdigungen, bei denen ich bisher teilnehmen musste, waren allesamt nur schrecklich. Stunden, die man nur versuchte, hinter sich zu bringen. Ich weiß genau, das will ich nicht. Zum Glück habe ich einen Bestatter gefunden, der offen ist für Wünsche. Er hat sehr schnell gemerkt, um was es mir ging. Das Ganze hat er noch um einige wunderschöne Details ergänzt.
Mein Mann will verbrannt werden. Also wird es eine Trauerfeier mit anschließender Urnenbeisetzung geben. Die Urne wird auf einem Podest stehen, umgeben von Rosen, den Lieblingsblumen meines Mannes. Dabei wird ein Bild von ihm stehen. Dazu noch ein großer Rahmen mit verschiedenen Bildern seiner Lebensstationen. Jeder der Angehörigen entzündet zu Beginn eine Schwimmkerze, die in eine schöne Wasserschale gelegt wird und ebenfalls bei der Urne steht. Wir haben die Musik ausgesucht. Bevor die Urne zum Grab getragen wird, wird ein afrikanisches Wiegenlied gespielt. Das habe ich meinem Mann oft in besonders schwierigen Stunden gespielt. Es hat ihn immer ruhig werden lassen. Wenn die Urne versenkt wird, kann jeder eine Handvoll Blüten darüber streuen. Ich finde diese Sitte, eine Schaufel Sand in ein Grab zu streuen, nicht sehr schön. Ich habe es untersagt, dass Grabreden gehalten werden. Nur der Pater, der die Feier durchführt, wird einiges erläutern, was diesen einzigartigen Menschen ausgemacht hat. Die Informationen erhält er von mir. So kann ich mich insgesamt mit dem Ablauf der Trauerfeier anfreunden. Es soll ein Trost werden und keine Veranstaltung, wo man froh ist, wenn sie vorbei ist.
Ich bin erstaunt, wie gefasst ich bin, trotz aller Trauer über diesen grausamen Verlust. Ich kann es mir nur so erklären, dass es hilfreich war, sich ein ganzes Jahr auf dieses Sterben vorbereiten zu können. Mitzuerleben, wie die Krankheit immer mehr die Oberhand gewann. Und vor allem war wichtig, dass ich die Gewissheit habe, alles, aber wirklich auch alles für meinen Liebsten getan zu haben, was in meiner Macht steht. Das erleichtert mir die Trauerarbeit sehr. Auch die Tatsache, dass wir viel Trauerarbeit schon zu seinen Lebzeiten geleistet haben, weil wir immer offen waren und keine Schutzzäune gegenseitig aufgebaut haben, erspart mir jetzt viele Tränen. Ich habe sie ja vorher zusammen mit meinem Mann geweint. Ich weiß jetzt, dass der Weg, so wie wir ihn gegangen sind, für uns richtig war.
Und ich gebe mir die Erlaubnis, dass das Leben für mich weitergeht. Ich versuche schon jetzt jeden Tag, wieder Anschluss ans Leben zu finden.
Als wir vom Bestatter kamen, gingen wir drei zusammen zum Chinesen essen. Und tatsächlich habe ich es genossen. Seit Wochen das erste Mal, dass ich Essen genießen konnte. Meine Töchte haben sich riesig gefreut, dass ich fast einen Teller voll aufessen konnte ohne Probleme. Denn das ging nun schon lange nicht mehr. Und ich war glücklich darüber.
Heute musste ich auch viele Anrufe erledigen, um Bekannten und Verwandten den Tod meines Mannes mitzuteilen. Das war recht schwer.
Ich denke, so wird es oft sein in der nächsten Zeit. Augenblicke der Zufriedenheit und Ausgeglichenheit werden sich abwechseln mit tiefer Traurigkeit. Ich werde beides zu leben wissen.

Mein Großer, warst du heute wieder so stolz auf deine drei Mädels, wie du es uns am Samstag noch immer und immer wieder gesagt hast?
Ich glaube, deine Feier wird dir sehr gut gefallen. Morgen darf ich dich ein letztes Mal beim Bestatter besuchen. Dann wird dieser Körper, der dir zuletzt den Dienst versagt hat, eingeäschert. Aber da ich weiß, dass du immer um mich bist, ist das so in Ordnung. Hast du dich gefreut, als ich dir eine Urne aus Naturholz ausgesucht habe? Ich glaube, von den anderen hättest du gesagt, die sehen aus wie ein Rumtopf. Das habe ich auch dem Bestatter gesagt, und so haben wir inmitten von Särgen und Urnen gelacht. Das hätte dir gefallen.
Bis morgen mein Liebster. Ich werde deinem Körper ein Bild von unserer Hochzeit mit auf den Weg geben. Dann werde ich auch ein kleines Stück mit dabei sein dürfen. Hilf mir morgen, es wird sehr schwer werden, dich endgültig gehen zu lassen.

Alles Liebe von Marianne (die sich immer noch nach realen Umarmungen von ihrem Liebsten sehnt)
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In einem Meer von Schmerzen ertrinken die einen,
die anderen lernen darin schwimmen. (Kyrilla Spiecker)
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