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Alt 24.08.2006, 21:58
babs61 babs61 ist offline
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Standard AW: Warum kann ich nicht trauern?

Liebe Xeniia,
Deine Gefühle kann ich, wie alle anderen Schreiber hier, sehr gut nachempfinden. Mein Mann hat uns am 15. Juni verlassen, endgültig.
Auch ich durfte bis zum bitteren Ende bei ihm sein, seine Hand streicheln, bei ihm kuscheln ..... einfach da sein. Ich glaube ganz fest daran, dass er beruhigt eingeschlafen ist, weil ich bei ihm war und er auf seinem geliebten Sofa zu Hause liegen durfte.
Nach seinen letzten Atemzügen brach ich in Tränen aus und wußte nicht genau, was ich fühlen oder denken sollte ..... alles war so unwirklich. Doch schon nach kurzer Zeit wußte ich genau, was ich zu tun hatte: Bruder, Schwester und Eltern anrufen ..... Pastor.... aufräumen ... Stühle hinstellen .... Getränke aus dem Keller holen ..... Taschentücher zurecht legen ... Sogar angezogen hatte ich ihn, ohne eine einzige Träne zu vergießen. Als man ihn dann aus dem Haus trug, brach ich zusammen ..... doch schon nach kurzer Zeit, riß ich mich wieder zusammen.
Als ich endlich um 3 Uhr morgens allein war, schrieb ich noch die Anzeige für die Tageszeitung und schrieb alles auf, was ich am nächsten Tag so zu erledigen hatte .....
Die Verabschiedung am offenen Sarg, dort wo er lag, als schlief er ..... mit entspanntem Gesicht und in dem Anzug, den er an unserer standesamtlichen Hochzeit trug ..... vor fast 25 Jahren..... der ihm jetzt viel zu groß war...... , die viel mir schwer, sehr schwer, da ich lauter weinende und schluchzende Menschen um mich hatte, Schwiegereltern die zitterten und sich selbst kaum auf den Beinen halten konnten, das tat einfach nur weh .........
Den Tag der Beerdigung hatte ich mit meinem Bruder super gut organisiert und lief einfach prima, alles nach Plan.
Ich denke sehr oft an mein "Dickerchen" und vermisse ihn ......
In den darauffolgenden Wochen lief fast alles seinen "gewohnten Gang", weinen? Keine Spur von Tränen in meinem Gesicht ......
Erst beim 6-Wochen-Amt, als die aus Verwandten und Freunden extra für diesen Tag zusammengestellte Blaskapelle die Kirchenlieder spielte, packte es mich derart, dass ich am liebsten im Erdboden hätte versinken wollen..... mein Glück, dass durch die laute Musik meine Heulerei nicht so arg auffiel ....
Liebes, es es ganz normal, nicht immer zu weinen, zu schluchzen oder mit einem traurigem Gesicht herumzulaufen .... Auch du wirst wie ich Momente durchleben, die du nicht in den Griff bekommst und drauflosheulst und genau so werden Tage vergehen, an denen du keine einzige Träne vergießt.
Es wird Tage geben, an denen du dich lieber in eine Ecke verkriechen möchtest ...... dann tu es auch!
Es wird Tage geben, an denen du nur heulen willst ..... dann tu es auch!
Es wird Momente geben, in denen du herzhaft lachen möchtest ..... dann tu es auch!
Tu was du willst, und nicht was andere von dir verlangen ..... das ist das allerwichtigste ....
Ich habe meinen Mann verloren, mit dem ich über die Hälfte meines eigenen Lebens zusammengelebt, gestritten, gegessen, getrunken, geschlafen, gearbeitet und geliebt habe ..... wir verstanden uns fast wortlos ...... er ist nicht mehr da .....
Trauer bedeutet nicht, dass man nur mit schwarzen Klamotten und mit verheultem Gesicht herumläuft ......
Ich sags mal mit meinen Worten: Trauer ist ein nicht zu bestimmender Zeitraum, in dem Hinterbliebene verstehen müssen, einen geliebten Menschen nicht mehr bei sich haben .... lernen müssen, damit umzugehen, dass eine Lücke da ist. Und jeder, wirklich jeder trauert anders.
Eine freie Sprecherin bei einer Trauerrede hat dies so umschrieben:
Eine Familie ist wie ein Lied, jedes Mitglied ist eine Note dieses Liedes. Die Melodie klingt harmonisch. Stirbt ein Mensch, so fehlt eine Note dieses Liedes. Die Melodie hört sich zunächst sehr ungewöhnlich an. Nach einer gewissen Zeit gewöhnt man sich an diese Melodie und findet sie wieder harmonisch.
(Es ist jetzt nur die Kurzform)


Babs
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