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Alt 11.05.2006, 20:16
Michael_D Michael_D ist offline
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Standard AW: Psychoonkologie

Hallo Rezzan,

es ist zunächst erst einmal schön, daß Dein Vater eine Vollremission hatte. Auf jeden Fall ist das ein gutes Zeichen. Dein Pessimismus ist sicher nicht unbegründet: auch eine Vollremission erhöht die Ein-Jahres-Überlebensprognose nur auf etwa 20 bis 40 Prozent. Auf der anderen Seite findest Du hier einen kürzlich eröffneten Thread, wo eine Angehörige berichtet, daß bei ihrem Mann im September 2003 kleinzelliger LK diagnostiziert wurde, mit einer 3-Monats-Prognose . . . Unsere Zeit auf Erden liegt nun einmal nicht in unserer Hand. Und wenn Dein Vater diesen Sommer noch genießen kann, ist das erst einmal schön. Wenn Dein Vater "verdrängen" möchte, dann ist das halt seine Art, damit umzugehen - und die ist zu respektieren. Die psychologische Unterstützung, die brauchst wohl vor allem Du! Ich weiß, wovon ich spreche.

Ich kann auch gut verstehen, daß Dir vor den nächsten Untersuchungen graut. Uns geht es ebenso. Wir sind, das darf man eigentlich keinem sagen, seit Oktober nicht mehr zum Röntgen gewesen. Wir holen uns unsere Therapie ab, aber ansonsten stecken wir den Kopf in den Sand. Allzu lange wird das unsere Ärztin nicht mehr mitmachen. Aber da sich die klinischen Symptome meiner Mutter nicht wesentlich verschlechtert haben, wird sie von sich aus auch nicht aktiv.

Simonton hat sehr viele Anhänger. (Unser erster Psychologe z.B.) Ich habe auch beide Bücher gelesen, bevor ich mir mein Urteil gebildet habe. Das Problem ist in meinen Augen folgendes: Simonton nennt immer Beispiele, die belegen (sollen), daß Patienten, die seiner Methode gefolgt sind, einen wesentlich günstigeren Verlauf hatten. Oftmals finden sich dann Stellen, die ungefähr so lauten: " . . . nachdem X aufgehört hatte, zu Visualisieren, war er in drei Monaten tot." Simonton suggeriert eine Beeinflußbarkeit der Krankheit, die meines Erachtens so nicht gegeben ist. Er legt den Behandlungserfolg sozusagen in die Hände des Patienten: insofern ist er auch für den Mißerfolg verantwortlich. Wenn der Patient nun brav die Visualisierungs-Übungen befolgt und trotzdem ein Rezidiv hat: dann ist der Fall, der Rückschlag, umso härter. Der Patient wird sich dann selbst die Schuld geben, daß es nicht geklappt hat. Und das ist nicht gut. Müßig zu erwähnen, daß meine Mutter brav ihre Übungen gemacht hat und trotzdem Rezidive hatte. Unsere neue Psychologin hält Simonton gottseidank auf für Käse. Sie sagt, daß es viel wichtiger ist, das Leben zu genießen - und damit hat sie wohl recht. Und das sollten alle versuchen, egal, ob in Istanbul oder sonstwo.

Viele Grüße,
Michael
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